Erfolg
zusammen mit dem Dackel Waldmann, demütig und stolz, im Gefühl seiner Berufung. Er nahm ein großes Stück Kreide. Der Tag der Heiligen Drei Könige war zwar vorbei; aber schaden konnte die Ausübung eines frommen Brauches niemals. Sorgfältig mit der Kreide malte er über die Tür seines Arbeitszimmers: C + M + B, die Initialien der Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar, umkränzt von der Jahresziffer. Auch gelobte der neue Ministerpräsident in dieser schweren Stunde der Berufung, zur Gnadenmutter von Altötting zu wallfahrten, in deren Altar die Herzen der bayrischen Könige aufbewahrt wurden. Fromm und deutlich im Geist sah er den heiligen Ort: seine Kirche, wo Gnaden und Wunder geschahen zur Düngung der Seelen, seine Fabriken, wo Kali erzeugt wurde zur Düngung des vaterländischen Bodens.
Er war in gelockerter Stimmung, er hatte Bedürfnis nach Musik. Um diese Stunde pflegte der Rundfunk Musik zu senden. Der Flaucher war nicht abergläubisch; immerhin war er begierig, was er nun hören werde, und bereit, es als Zeichen anzunehmen, falls es günstig war. Er schaltete den Lautsprecher des Rundfunks ein, und in seine behaarten Ohren klang eine tiefe, schöne Frauenstimme, selig umspült von Glocken und Geigen. Sie sang eine Weise, ihm nicht unbekannt, gesetzt von einem alten deutschen Meister: »Schlage doch, gewünschte Stunde / Brich doch an, gewünschter Tag.« Flaucher lauschte in großer Bewegung, sog das Lied in sich, andächtig, füllte sein Herz mit Vertrauen auf Gott und auf sich selbst.
Unten zogen demonstrierende Wahrhaft Deutsche vorbei. Man hatte, die Konsulate durch starkes Polizeiaufgebotschützend, zuwege gebracht, daß sie die fremden Diplomaten nicht verhauten. Jetzt zogen sie, friedlich demonstrierend, über den Promenadeplatz zum »Gaisgarten« und sangen ihr Lied: »Arbeiter, ihr Lumpen, wie wird’s euch ergehn / Wenn ihr die Brigade Riedler werdet sehn. / Die Brigade Riedler schießt alles kurz und klein. / Wehe dir, du Arbeiterschwein.«
26
Johanna Krain und ihre Maske
Johanna, als sie von der Umbildung des Kabinetts in der Zeitung las, begriff zuerst nicht, worum es sich handelte. Sie spürte dumpf, etwas schlug sie auf den Kopf. Sie las ein zweites, drittes Mal; dann erkannte sie, daß also auch dieser alte Messerschmidt, der ausschaute wie ein Monument der Biederkeit, sie im Stich gelassen hatte. Auch er hatte sie angeschmiert mit schönen Reden.
Es ist gut, daß sie Martin nichts gesagt hat von dem Versprechen des Messerschmidt, der sicheren Aussicht auf Strafunterbrechung oder Wiederaufnahme. Er hätte den Rückschlag nicht ausgehalten.
Es ist ihm also zuviel geworden, dem Alten, er hat hingeschmissen. Wenn man ihn im Amt gelassen hätte, wäre er sicher zu seinem Wort gestanden. Sechsundzwanzig Tage fehlten noch. Die hätte er noch aushalten können, bevor er hinschmiß. Sie kann nicht hinschmeißen, ihr ist das nicht erlaubt.
Sie ging auf und ab in dem großen Zimmer in der Steinsdorfstraße. Immer liegt auf dem Tisch ein blödes Zeitungsblatt und will ihr was an. Sie sollte keine Zeitungen mehr halten. Was ihr Übles zustieß, wurde ihr durch die Zeitung gebracht. Die schlechten Wendungen des Prozesses Krüger, der Schmutz, den man auf sie warf, der Mord an dem Abgeordneten G., der Tod Fancy De Luccas, alles roch den Gestank der Zeitung. Umbildung des Kabinetts. Wenn sie es zu tunhätte mit einem einzelnen Menschen, mit einem Messerschmidt, einem Klenk oder sogar einem Heinrodt, damit würde sie fertig werden. Aber immer steht da ein Undeutliches: Umbildung des Kabinetts, politische Verhältnisse, Justizstaat, lauter so gesichtsloses Zeug. Wie soll eine Frau damit fertig werden?
Auf einmal ist sie bis in die Poren voll von einer brühheißen Wut gegen Tüverlin. Er hätte sie nicht dürfen allein lassen. Er hätte ihr nicht zumuten dürfen, damit allein fertig zu werden.
Mit ihren eigenen Dingen wird sie fertig. Die Dollars, die Tüverlin für sie hinterlegte, hat sie nicht angegriffen. Es geht ihr beruflich gut, sie hat viele Ausländer, es ist fast ein Hohn, wie gut es ihr geht.
Da hockt sie in ihrem geräumigen Zimmer, ein großes, kräftiges Mädchen. Ihre Bücher sind da, ihre Apparatur. Die Tante Ametsrieder geht stattlich umher; das ist wohltuend, wenn jemand so fest auf seinen Beinen steht. Auch Jacques Tüverlin steht fest auf den Beinen, die Zeitungen sind voll von seinen Erfolgen. Die Tante drängt, Johanna soll ihn doch heiraten; sie, die
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