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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ausführlich zu berichten. Seither lächelte man, wenn der Abgeordnete Geyer erwähnt wurde.
    Der Haushälterin Agnes waren diese Berliner Geschehnisse nicht unangenehm. Ein gedemütigter, sich verwahrlosender, verfallender Dr. Geyer kam ihr gelegen. Wie er es aber in den letzten Tagen trieb, und zwar seit dem Eintreffen eines bestimmten Briefes, das wurde zuviel und erfüllte selbst sie mit Sorge.
    Dieser Brief kam zusammen mit anderer Post. Die Haushälterin Agnes, nachdem sie Dr. Geyer den Pack überreicht hatte, war hinausgegangen in ihre Küche und hatte sich an die Bereitung des Abendessens gemacht. Da plötzlich hörte sie aus dem Zimmer ihres Herrn einen hellen Schrei. Der Schrei hörte nicht auf, er gellte fort, nicht abreißend, und als sie ins Zimmer lief, sah sie den Mann, wie er am Pfosten der Tür stand und, immer gleich schrill hinausheulend wie ein Tier oder wie ein geprügeltes Kind, den Kopf mechanisch gegen den Türpfosten schlug.
    Es gelang der Luchsäugigen, den Brief zu erspähen, der das bewirkt hatte. Er kam aus München, sein Inhalt war dunkel, und unterzeichnet war er nur mit einem E . Dennoch wußte die Gelbgesichtige, von wem er war, nämlich von dem ausgehausten Lumpen, dem Blutaussauger, und wenn sie auch nicht mit dürren Worten angeben konnte, was er wollte, so spürte sie doch ziemlich deutlich, worum es ging, und sie begriff auch, warum der Abgeordnete Geyer geschrien hatte. Es schrieb nämlich dieser Herr E., er habe gelesen, Dr. Geyer werde die sozialdemokratische Interpellation über die Erledigung des Dienstmädchens Amalia Sandhuber begründen. An sich sei es ihm Jacke wie Hose, was die Berliner Regierungtue; er fühle sich in München sehr sicher. Da er aber ein Freund der Klarheit sei, möchte er dem Herrn Abgeordneten zur besseren Information mitteilen, daß gewisse Gelder, die Dr. Geyer ihm, dem Schreiber, zur Verfügung gestellt habe, zur Ausführung dieser Tat verwendet worden seien. Er, E., finde sie gut verwendet. Er schrieb weiter, und zwar begann er einen neuen Absatz, er nehme an, daß Dr. Geyer dieses gut verwendete Geld schlecht verwertet finden werde. Er, E., könne sich nicht vorstellen, daß Leute mit so verschiedenen Ansichten eines Blutes sein sollten. Es gebe leider verflucht wenig Mittel, um solche Fragen endgültig zu klären. Ein Mittel aber gebe es, das bei bestimmt gelagerten Fällen eine sichere Klärung herbeiführen könne. Und er legte dem Dr. Geyer dar das Verfahren des Professors Zangemeister aus Königsberg und forderte ihn auf, sich dieser Königsberger Blutprobe zu unterziehen.
    Das war es also, was die Haushälterin Agnes geschrieben fand. Nicht so deutlich und nicht so kurz wie hier; aber immerhin begriff sie, worum es ging. Und das war es wohl auch, warum Dr. Geyer geschrien hatte.
    Seit dem Tage also, an dem er diesen Brief empfing, bemerkte die Haushälterin Agnes an ihrem Herrn eine entschiedene Veränderung. Dr. Geyer nämlich hatte sich bisher als mutiger Mann gezeigt; jedenfalls war er nie feige gewesen. Auch das Attentat damals in München anläßlich des Prozesses Krüger hatte er ohne Nervosität und ohne weitere üble Folgen überstanden, abgesehen von der kleinen Verletzung, die ihn zum Hinken zwang. Jetzt auf einmal nach so vielen Monaten bekam er Angst vor dem Attentat, das längst vorbei war. Einmal fand ihn Agnes vor der Flurtür, er stand davor, aschfahl, mit zitternden Knien, konnte das Schloß nicht finden. Er glaubte, es gehe einer hinter ihm, er erhalte den Schlag erst jetzt. Einmal klingelte er Agnes mitten in der Nacht in sein Schlafzimmer. Lag schweißübergossen. Sie mußte mit ihm die Wohnung absuchen. Er wußte: der Minister Klenk hatte sich eingeschlichen.
    Dr. Geyer erwiderte jenen Brief aus München nicht. Auch die Interpellation fand vorläufig nicht statt. Er beruhigte sich, die Angstzustände ließen nach. Seine Erregung legte sich.
    Er begann, stark zu arbeiten. Hatte Konferenzen mit Parteigenossen, stapelte Zeitungen, häufte Material, sichtete. Telefonierte, depeschierte mit seinen Münchner politischen Freunden. Eine Woche verging und noch eine Woche; dann endlich brachten die Sozialdemokraten die angekündigte Interpellation über die bayrischen Dinge ein. Die Interpellation ging aber nicht aus von der Ermordung des Dienstmädchens Amalia Sandhuber, sondern von der sogenannten Sendlinger Schlacht .
    Es zogen nämlich damals in Bayern bewaffnete Abteilungen der Wahrhaft Deutschen umher, um Ordnung zu

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