Erfolg
Pantoffel, dachte er. Er schielte nach den andern. Der Hartl lächelte impertinent, ja, der sah seinen Weizen blühen. Der Flaucher saß da, mächtig, viereckig; diekleinen Augen strahlten sieghaft. Es war eigentlich verboten, Hunde in den Herrenklub mitzubringen; dennoch rekelte sich zu seinen Füßen der Dackel Waldmann. Der Flaucher konnte sich das jetzt leisten. Er hatte es mächtig weit gebracht für den vierten Sohn des Konzipienten des Königlichen Notars in Landshut. Neben ihm saß Sebastian Kastner, sein Getreuer, der Abgeordnete von Oberlanzing, sprach plump auf ihn ein. Der Messerschmidt hockte da, allein, bot seinen großen Kopf dar dem Gespött ringsum, pumpte sein Herz voll mit Genugtuung und Bitterkeit. Er hat seine Pflicht getan. Es wird großartig sein, wenn er jetzt mit dem ganzen Saustall nichts mehr zu schaffen hat, sondern herumgehen kann zwischen seinen bayrischen Kuriositäten. Seit dem letzten Frühjahr war er nicht mehr im Nationalmuseum gewesen, der staatlichen Sammlung solcher Dinge, wie er sie liebte. Otium cum dignitate, dachte er, procul negotiis, dachte er. Allein die Abgeklärtheit verflog rasch, die frechen, hohnvollen Gesichter blieben.
Zur Tür herein kam einer, schwer von Gestalt, doch krampfig leicht von Schritt. Bis jetzt hat der immer gezeigt, daß er ihn mochte. Wird er heut …?
Siehe, er kam zu ihm. Er setzte sich zu ihm. Aller Augen folgten ihm, wie er herankam. Der Abgeordnete Kastner brach ab mitten im Satz. Selbst der Dackel Waldmann wurde unruhig.
Der Reindl betrachtete den verfallenen Messerschmidt. Vor kurzer Zeit, ungeheuer kurz war das, hatten sie hier alle auf den Klenk geschimpft. Nein, dem Alten war es nicht gut bekommen, daß er damals die Musikalität dieses Klenk gerühmt hatte. Sonst wohl kaum hätte er ihn zum Justizminister gemacht. Heute krochen sie alle dem Klenk in den Arsch: wo war einer, der sagte, der Messerschmidt habe Sinn für bayrische Kleinkunst?
Der Reindl wußte genau, wie sie den Alten umgelegt hatten. Wie der sich die Arbeit bitter und aussichtslos gemacht, wie er mit beiden Armen Mist weggefegt hatte, wie auf jedehinausgeschaffte Fuhre zehn neue hereingekommen waren. Der Reindl kannte das: wie Anordnungen bürokratisch gewissenhaft entgegengekommen und dann sabotiert wurden. Nun ja, jetzt hat der Alte ja Ruhe. Er, Reindl, wird sich in die neue Kabinettsbildung nicht hineinmischen. Wer immer die neuen Minister sein werden, sie werden Strohpuppen im Winde sein.
Er saß da, wo der Wind gemacht wurde. Seine Geschäfte rissen ihn in großartigem, triumphalem Wirbel hoch. Wohlwollend schaute er, voll üppiger Gebelaune, auf den Messerschmidt, sprach angeregt mit ihm über bayrischen Kleinkram, schlug ihm gewisse Tauschgeschäfte vor aus ihren Sammlungen, bei denen der Alte glänzend abschnitt. Er blühte sichtlich auf unter den Worten des Fünften Evangelisten, die andern schauten neidisch her, und als er nach Hause ging, drückte ihn eigentlich nur mehr der Gedanke, daß er nicht mehr die Sache Krüger zu Ende geführt hatte.
Dr. Franz Flaucher, den Tag darauf, telefonierte mit Dr. Klenk, bot ihm das Justizministerium an. Er hielt es für eine fromme, selbstüberwinderische, wahrhaft christliche Tat, daß er dem Gegner auf so noble Art vergalt. Allein was erwiderte der unernste Mensch? Er sagte: »Ich sitze in einem ausgezeichneten Klubsessel, Flaucher. Den soll ich vertauschen mit eurem Nachtstuhl im Justizministerium? Ich denke nicht daran.« Und er lachte. Es war sein riesiges, gemütliches Lachen, aber dem Flaucher dröhnte es so schauerlich sündhaft in das behaarte Ohr, daß er das Hörrohr wie etwas Brennendes in die Gabel zurückwarf.
Das Justizministerium erhielt dann, wie allgemein erwartet, Dr. Hartl. Sein früheres eigenes Ministerium besetzte Flaucher mit Sebastian Kastner, dem Abgeordneten des Stimmkreises Oberlanzing, seinem devoten Anhänger.
Es war nicht zu leugnen, daß dadurch das Gesamtministerium ein einheitlicheres Gesicht bekam und reibungsloser arbeiten konnte. Viele atmeten auf, daß an Stelle des behutsamen Ditram der feste, urbayrische Flaucher und an Stelledes bockigen, störenden Messerschmidt der fischglatte, geschmeidige Hartl trat.
Dr. Flaucher, als die Ernennung seines Kabinetts vollzogen war, ging in das kleine, gelbe Biedermeierpalais, in dem er in Zukunft residieren wird. Es war Abend, nur mehr der Pförtner war im Haus. Dr. Flaucher, eine große Weile, saß allein in seinem zukünftigen Arbeitszimmer,
Weitere Kostenlose Bücher