Erfolg
es. Die Insarowa tanzte eine kleine Pantomime, schamlos und rührsam, wie es Johanna schien, wohl auch etwas dumm, sicher sehr banal. Sie tanzte zuerst unbekümmert vor sich hin, dann mit einer plötzlichen, dreisten Wendung dem Publikum zu, einer bestimmten Stelle im Publikum zu. Es war jetzt ganz dunkel auf der kleinen Bühne. Ein Scheinwerfer stach die Tänzerin aus dem Dunkel heraus, stach auch einen Sektor des Zuschauerraums heraus, den Sektor, gegen den hin die Tänzerin sich wandte. Eine kleine Unruhe war, man schaute nach diesem Sektor. Im Licht saß ein junger, süßlich aussehender Mensch, kein Schauspieler fraglos, einer von ihnen, aus dem Publikum einer. Ja, es war kein Zweifel, für ihn tanzte das schmächtige, aufreizende Geschöpf auf der Bühne, auf ihn richtete sie ihre feuchten, schiefen, gleitenden Augen, für ihn warf sie ihre demütigen Glieder. Die Unruhe nahm zu, der junge Süßling saß vollkommen unbewegt, trank seinen Drink. Merkte er nicht, daß aus dem Dunkeln viele Augen neidisch interessiert auf ihn schauten? Droben die Schmächtige wurde erfaßt von einer immer leidenschaftlicheren Demut, ihre Wangen wurden hohler und kindlicher, ihr Tanz, mit saugender, nackter, unzüchtiger Bitte, ging nur zu dem Unbewegten. Schließlich schlägt sie ohnmächtig hin. Kleine Schreie von Frauen, Männer erheben sich halb, die Musik bricht ab. Doch die Gardine schließt sich nicht. Nach wenigen Augenblicken großer Unruhe steht lächelnd das Mädchen auf, tanzt in der rührsam schamlosen Art wie zu Beginn, legt feuchte, kleine Zähne bloß, sieht hübsch und kindlich aus, ihre schiefen Augen streicheln hilflos, frech und zutraulich die Zuschauer. Nach ein paar Takten ist sie zu Ende. Ein Schweigen zuerst, dann einige Pfiffe, dann wütender Applaus. Eine gewagte Angelegenheit,meint Herr Hessreiter. Herr Pfaundler schnauft befriedigt, verabschiedet sich, lächelnd. Er war stolz auf seine Nase. Mehr als Geldverlust kränkte ihn, wenn ihn, sehr selten einmal, seine beste Begabung, sein Witterungsvermögen, im Stich ließ. Heute, an der Insarowa, hat er seinen Riecher bewiesen.
Kaum ist er weg, fragt Herr Hessreiter unvermittelt Johanna: »Ist es richtig, daß Sie den Dr. Krüger heiraten werden?« Er schaut sie nicht an, dies fragend, seine schleierigen Augen sind irgendwo im Saal, seine gepflegten, fleischigen Hände spielen mit dem Glas. Johanna antwortet nicht, das Licht spiegelt sich in ihren glänzenden Nägeln, sie schaut mit undeutbarer Miene vor sich hin. Herr Hessreiter weiß nicht einmal, ob sie seine Frage gehört hat. Aber das stimmt nicht, natürlich weiß er, daß sie gehört hat. Weiß auch, daß ihn dieses große Mädchen näher angeht, als er möchte. Doch das will er nicht wahrhaben, er denkt nicht daran, dergleichen in sich aufkommen zu lassen. Lebemann, der er ist, denkt er viel mehr an ganz anderes, und er macht eine flotte, zynische Anmerkung zu Johanna über eines der nackten Mädchen, die sich jetzt auf Herrn Pfaundlers Bühne betätigen.
Johanna erklärt mit zugesperrter Miene, sie sei müde. Doch wie Herr Hessreiter, leicht verletzt, sie nach Hause bringen will, drängt Herr Pfaundler, sie müßten noch den Speisesaal und vor allem den privaten Zirkel im Betrieb sehen. Bittet, beschwört, bis endlich Johanna zermürbt nachgibt.
Herr Hessreiter fand im privaten Zirkel für sich und Johanna rasch gute Plätze. Setzte einen hohen Betrag. Verlor. Setzte bei nächster Gelegenheit wieder. Sagte, auf die Hände des Bankhalters schauend: »Also heiraten wollen Sie den Krüger. Eigentümlich.« Er spielte weiter, nachdenklich, melancholisch, waghalsig. Verlor stark. Forderte Johanna auf, sie möge sich an seiner Bank beteiligen. Johanna saß uninteressiert, sie verstand nicht. Sie dachte, das sei viel Geld, davon könne man in Garmisch viele Wochen leben. Auf einmal standdie Insarowa hinter ihr, begrüßte sie unmotiviert herzlich, riet stürmisch: ja natürlich müsse sie mit dem Herrn halten. Hessreiter warf einen großen Haufen Spielmarken auf seinen Satz, murmelte, das also sei für sie. Johanna, unaufmerksam, schaute von den angestrengten Gesichtern der Spieler auf die fleischigen Hände Hessreiters, auf das nervöse, sensible Profil der Insarowa, die sich neben sie beugte, das Spiel Hessreiters mit verzückten Schreien begleitend, kleine, feuchte Zähne bloßlegend.
Johanna achtete nicht auf das Spiel; sie hatte den Eindruck, daß Hessreiter stark verliere. Plötzlich fand er,
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