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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sonderbar aus im Smoking, sein vergnügter, derber Bauernschädelscheuerte sich in dem weißen Kragen, seine Hände kamen fremdartig aus den weißen Manschetten. Dann sprach er mit Hessreiter durch den Apparat, Johanna sah seine listigen Augen zwinkern und die billigen Mädchen lachen. Nein, dem war sein später Erfolg nicht bekommen. Er verbummle zusehends, erklärte Hessreiter, inmitten seiner Haserln ; so nannte der Maler Greiderer die billigen jungen Mädchen. Herr Pfaundler meinte, die Hofhaltung des Malers Greiderer und seiner Frau Mutter koste viel Geld. Der Herr Kunstmaler verstehe es, Preise zu machen; auch er, Pfaundler, habe ihm einen dicken Batzen Geld hinlegen müssen. Aber erstens sei Inflation und zweitens sei der Ruhm eines Malers eine Sache, auf die er, Pfaundler, keine Hypothek geben würde. Die Inflation werde nicht ewig dauern, meinte er dunkel.
    Über Johannas Nase erschienen die drei senkrechten Furchen. Lebte sie nicht selbst über ihre Verhältnisse hier in Garmisch? Sie hatte, seitdem sie mehr als ihre knappe Notdurft verdiente, nie ängstlich gerechnet, doch auch niemals über mäßig bürgerliche Vorstellungen hinaus Geld vertan. Jetzt brauchte sie Geld, ohne groß zu zählen. Während man im übrigen Deutschland hungerte und verkam, saß man in Garmisch im Überfluß. Es waren zumeist Ausländer da, die infolge der Inflation hier für geringes Entgelt üppig leben konnten. Kein Mensch fragte nach den Preisen. Nur die Tante Ametsrieder schüttelte finster den mächtigen Mannskopf und sprach starke Worte vom bevorstehenden Untergang. Wenn Johanna auf dem Boden ihres Bankkontos angelangt ist, was dann soll sie machen? Hessreiter um Geld angehen? Sie besah Herrn Hessreiter, der still, mild, gutgelaunt neben ihr saß, leise mit den Armen den Rhythmus der Musik mitschlagend. Es war schwer, jemand schlankweg um Geld anzugehen; sie hat noch nie den Versuch gemacht.
    Herr Hessreiter wandte ihr jetzt seine schleierigen Augen zu, machte sie aufmerksam auf den Mann, der sich auf der Bühne abarbeitete. Es war eine Art musikalischer Clown, er verzerrte bekannte Musik, gescheit, bösartig. Der Mann,kommentierte Pfaundler nicht ohne Hohn, hatte einst revolutionäre Musik gemacht. Sein Programm war die Autonomie des reproduktiven Künstlers gewesen. Verkündet hat er, daß für den wahren Künstler die Vorlage – in seinem Fall also das Werk des Komponisten – Rohstoff sei, mit dem er schalten könne, wie sein Blut es von ihm verlange. Zunächst auch hatte er mit willkürlicher, aufreizender Interpretation klassischer Musik große Erfolge gehabt, wütenden Angriff, wütende Begeisterung. Dann allmählich hatte er das Publikum gelangweilt. Jetzt war der Revolutionär Kabarettmann geworden. Er tat gut daran, fand Herr Pfaundler.
    Johanna, nicht sehr musikalisch, hörte zerstreut hin, wie der Mann auf der Bühne sich zerquälte. Sie glaubte wahrzunehmen, daß sie mehr beachtet werde als zu Beginn. Sie machte eine Bemerkung darüber zu Hessreiter. Der sagte ihr, er schaue schon lange dem Maler Greiderer zu, wie der von Tisch zu Tisch mit ihrer Naturgeschichte hausieren gehe. Immer mehr Augen suchten den halbversteckten Platz, wo sie saß.
    Sie wurde am Tischtelefon verlangt. Eine Stimme im Apparat bat sie, hinüber zur Loge Fancy De Luccas zu schauen. Mit anmutiger Gebärde hob die olivfarbene Frau das Glas, ein starker, warmer Schein war über ihrem Gesicht. So trank sie, im Angesicht des zuschauenden Saals, der auf diese Geste viel mehr als auf die Bühne achtete, die dunkeln, wilden Augen unverwandt auf ihr, Johanna zu. Johanna errötete glücklich, ihre grauen Augen strahlten dankbar zurück zu der berühmten Italienerin, die sie, die Unbekannte, und ihre Sache so sichtbar auszeichnete.
    Doch nun wurde der Saal dunkel, das erstemal während des Abends. Auftrat die Insarowa. Es war ihr erstes Auftreten vor einem Publikum mit Ansprüchen. Herrn Pfaundlers Gerede war natürlich nur Reklame gewesen. Er hatte sie als Chansonette eines dunkeln Lokals der Berliner Friedrichstadt aufgefischt: jetzt, leidenschaftlich gespannt, ob seine Nase bestätigt werde, beobachtete er, schnuppernd, mit gierigenMausaugen ihre Wirkung. Ihr dünner, demütiger Körper glitt ziemlich kunstlos über die Bühne, ihre schiefen Augen streichelten hilflos, frech, zutraulich die Zuschauer. Es war still in dem sonst recht nonchalanten Saal, die Angelsachsen saßen aufrecht, aufmerksam, einer hatte die Pfeife stopfen wollen, unterließ

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