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Erfolg

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Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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nichts ohne Musik und Chor. Sie hörte von dem Disput Kaspar Pröckls mit dem Amerikaner. Sachte bemächtigte sie sich des jungen Ingenieurs. Sie wollte, daß er seine Balladen singe. Das hatte er nicht mehr getan, seitdem er den Maler Landholzer gesehen. Er zögerte. Er hatte ein brennendes Verlangen zu singen und einen heftigen Widerwillen. Zuletzt brachte sie ihn soweit. Es lag ihm leidenschaftlich daran, den Amerikaner zu überzeugen; vielleicht wird, was der Anblick des wirklichen Rußlands nicht zustande gebracht hat, seine Dichtung vermögen, nämlich, daß der Dollarscheißer, und sei es auch nur auf Minuten, an Marx und Lenin glaubt. Der Fünfte Evangelist hatte seit damals in Garmisch die Balladen nicht mehr gehört; er sehnte sich jetzt sehr danach. Kaspar Pröckl sagte seine Gedichte auf wie damals, hell, aufrührerisch, gläubig, diese erstmaligen Verse vom Alltag und vom kleinen Mann, dünn und böse, geschöpft aus der Volkstümlichkeit der großen Stadt, frech duftend, unbekümmert stimmungsvoll. Es waren zum Teil neue Verse, sie waren besser und schärfer noch als die früheren, und Kaspar Pröckl sang sie nicht schlechter als damals, im Gegenteil, er war ganz hingegeben. Aber wunderlicherweise drangen sie nicht ein in die Hörer diesmal, wahrscheinlich machte es die Gegenwart des Dreißigjahrdanny, der, seine Pfeife im Mund, neugierig, verständnisvoll und unbewegt zuhörte. Als Kaspar Pröckl das Banjo wegstellte, war ein kleines, peinvolles Schweigen. Dann klatschte der Amerikaner dünn in seine Hände und sagte: »Sehr nett. Ich danke Ihnen.«
    Später meinte er, es sei vielleicht, nachdem Frau Holz nicht singen wolle, eine Grammophonplatte aufzutreiben mit dem Stierkämpfermarsch. Und siehe, es fand sich die Platte. Mr. Daniel M. Potter, einer von den Dreihundert, dieauf dem Planeten zu bestimmen hatten über Krieg und Frieden, über Seuche und Gesundheit, über Sattheit und Hunger, tanzte mit der Schauspielerin Kläre Holz zu den Klängen dieser Melodie.
    Die vier andern schauten schweigend zu, Herr von Grueber überlegte, ob der Amerikaner wohl einige seiner Dollars in diesem schönen Land und seinen Kraftwerken investieren werde. Er hoffte, er werde weitere Fragen an ihn stellen. Allein Mr. Potter fragte nur, ob der Schriftsteller Jacques Tüverlin noch in München wohne. Er wünsche ihn kennenzulernen, er wünsche mit ihm zu sprechen. »Wie mit Ihnen, alter Junge«, sagte er zu Reindl, »von Herz zu Herz.« Und der Fünfte Evangelist wußte nicht, ob er sich über ihn lustig mache.
7
Guten Abend, Ratte
    Die neun dunkelsten Monate Martin Krügers begannen, als der enttäuschte Zuchthausdirektor Förtsch erfuhr, wer Klenks Nachfolger wurde. Unter dem Hartl wäre der Kaninchenmäulige bestimmt avanciert; da der Messerschmidt das Amt bekam, war sein langes, mühseliges Rechnen und Streben wieder einmal vertan. Zum erstenmal nach soviel Jahren untertäniger, nach dem Rüchlein des Vorgesetzten witternder Geduld verlor Förtsch die Ruhe. Er begehrte auf, ging zur Nebenregierung über, zur wirklichen Regierung, zu den Wahrhaft Deutschen.
    Der Mann Krüger merkte die neue politische Einstellung des Kaninchenmäuligen daran, daß ihm ohne Angabe von Gründen das Schreiben wieder verboten wurde. Es hob ein harter Kampf an zwischen dem Strafgefangenen Nummer 2478 und dem Zuchthausdirektor, und Martin wußte, daß dieser Kampf nicht enden wird, ehe Förtsch die Gehaltsklasse XIII erreicht hat. Früher wäre Krüger rasch unterlegen.Er hätte sich nicht zähmen können, Herz und Mund wären ihm durchgegangen. Jetzt, eindringend in die Bilder des Rebellen Goya, hatte er sich auf reinere Art entladen, war klüger geworden. Oh, er war ein kluger Rebell, fest gewillt, sich nicht hinreißen zu lassen. Sechzehn Monate Zuchthaus hinter sich, hatte er gelernt, sich ducken, schmiegsam sein, zäh sein.
    Es war, während Martin Krüger in der Zelle saß, ein neuer Sommer gekommen und ein neuer Herbst, und es begann ein neuer Winter. Der deutsche Außenminister war ermordet worden in dieser Zeit, Benito Mussolini hatte sich zum Herrn Italiens gemacht, die Türken hatten Griechenland entscheidend geschlagen, der irische Freistaat eine anerkannte Verfassung erlangt. Frankreich, da seine Wirtschaft sich mit der deutschen nicht einigen konnte, drohte die Ruhrprovinz als Pfand zu besetzen. Sehr viele Deutsche waren Millionäre geworden seither, aber keine reichen Millionäre: denn hattest du eine Markmillion, dann

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