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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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besaßest du hundertfünfundzwanzig Dollar.
    Das kahle Geviert Martin Krügers war das gleiche geblieben durch all diese Ereignisse; doch er selber war verändert. Er hatte getobt zu Beginn, dann war er still geworden, in sich versponnen, schlaff, dann glänzend, strahlend in Arbeit: jetzt war er hart, zäh. Er hatte noch Herzanfälle, sonst war seine Gesundheit nicht schlecht. Er hatte sich gewöhnt an den ewig gleichen Geschmack der Speisen, Dörrgemüse zumeist, Erbsen, Bohnen, Linsen, Graupen, Salzkartoffeln, immer dasselbe, fad gekocht, der ekle Sodageschmack in allem. Vertraut war ihm, dem peinlich Sauberen, der Schmutz der Umwelt und sein eigener, der Gestank des weißen Kübels, die elende, verdorbene Luft der Anstalt. Damit konnte man ihn nicht zermürben, er hatte sich angepaßt. Hatte, sich aufrecht zu halten, ein listiges, gymnastisches System erdacht. Er erlag nicht.
    Rasch, eine nach der andern, entzog ihm Förtsch die früheren Vergünstigungen. Wieder durfte er Briefe nur alle dreiMonate erhalten. Besuche wurden verboten. In der Freistunde zwischen den sechs Bäumen hatte er keinen mehr, mit dem er sprechen konnte; Leonhard Renkmaier entschwand aus seinen Blicken, niemand mehr redete ihn mit Doktor an. Statt sich mit dem Rebellen Goya zu befassen, klebte er jetzt Tüten, später zupfte er Hanf, flickte Säcke, die widerwärtigen, atemklemmenden Geruch ausströmten. Seine Isolierung war besonders streng; selbst wenn ihn der Anstaltsfriseur, ein Gefangener, rasierte, standen zwei Beamte daneben, um zu verhindern, daß er mit ihm spreche. Aber er war listig geworden und wußte Kontakt mit den anderen Gefangenen zu halten durch Klopfzeichen und Botschaften jeder Art.
    Dem Förtsch gegenüber, sosehr der es darauf anlegte, ließ er sich nicht hinreißen. Trotz aller Drangsal gab er sich keine Blöße, die zu einer Bestrafung hätte führen können. Er würgte seine Ausbrüche hinunter, behielt sie sich vor für die Einsamkeit der Zelle.
    Ab und zu, wenn Martin seinen Spaziergang machte, schauten vom Fenster des Korridors Neugierige herab. Der Kaninchenmäulige trug jetzt kein Bedenken mehr, den Damen der Stammtischrunde seinen berühmten Sträfling vorzuführen. Wie ein Wärter des zoologischen Gartens ein seltenes Exemplar, so erklärte er die Merkwürdigkeiten seines Gefangenen. Martin Krüger begehrte nicht auf. Über Würdegefühle war er längst hinaus. Er schielte nach den Wesen am Fenster. Sie hatten Brüste, Schenkel, sie waren Weiber. Er hatte Weiber monatelang nicht gesehen.
    Am schwersten fiel ihm die Entbehrung des Geschlechts. Aus allen Zellen hörte er die gleiche Gier, die das Soda, den Speisen beigemischt, nicht minderte. Jede zweite Klopfbotschaft sprach von Dingen des Geschlechts. Man machte, um die Geilheit loszuwerden, schlaue Erfindungen. Stellte aus Taschentüchern, Tuchfetzen Weiberersatz her. Kunstfertige fabrizierten aus Teig, Speck, Haaren obszöne Artikel, trieben auch Handel damit. Martin Krüger, in den endlosen Nächten, sah zum tausendstenmal dieselben geilen Gesichte. Erstellte sich das tote Mädchen Anna Elisabeth Haider vor, nach ihrem Aktbild. Welch ein Esel war er, daß er sie nicht genommen hatte. Er dachte an Goya, an die nackte Maja und an die bekleidete. Einmal, als aus der Ortschaft Odelsberg undeutliche Musik kam, sehr von fern, von einem Grammophon vielleicht oder Rundfunkmusik, glaubte er, einen Fetzen jener altmodischen Melodie zu erkennen, die Johanna vor sich hin zu summen pflegte zwischen Lippen und Zähnen. Da überkam ihn unerträglich wild die Gier nach Johanna. Er verglich den Leib Johannas mit dem Akt der Haider. Die Majas des Spaniers mischten sich ihm mit dem Bild Johannas. Er biß sich in die Arme, in die Schenkel. Sehnte sich wild, sie im Fleisch da zu haben.
    Er sah, wenn er nachts auf seiner Pritsche lag, auf der Decke seiner Zelle den scharfen Schatten des vergitterten Fensters, geworfen von der elektrischen Lampe draußen. Er hatte die Gewohnheit beibehalten, mit den Schriftzügen des Francisco Goya Worte, kleine Sätze in die Luft zu zeichnen. Aufzuckend und verlöschend, ähnlich wie im Film, schrieb er Schattenzeichen in den Schatten des Gitters, den Namen Johanna, seinen eigenen, den Namen des Förtsch; auch kleine, unzüchtige Zeichnungen schattete er an die Decke seiner Zelle. Er schrieb mit Schattenzeichen Mildes und Weises, doch das meiste, was er schrieb, waren Flüche, Zoten, Bosheit.
    Sorgsam verfolgte er die Phasen des

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