Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
Vom Netzwerk:
der nächsten Nacht auf den Besuch der Ratte, ängstlich, mit Spannung. Er hatte Reste seines Mahles hingestreut. Und siehe, sie kam. Er sagte: »Guten Abend, Ratte«, und siehe, sie lief nicht davon. Von da an kam sie mehrere Male, und der MannKrüger hielt Zwiesprache mit ihr. Er erzählte ihr von seinem Glanz in früherer Zeit und von seinem Kampf mit dem Direktor Förtsch, von seiner Verzweiflung und von seiner Hoffnung, und er fragte sie: wie lange noch? Sie war ihm Trost und große Erleichterung. Dann aber wurde das Loch entdeckt, vergipst, und der Mann Krüger war wieder allein.
8
Noch vor der Baumblüte
    Ein kleines Jahrhundert vorher hatte der deutsche Archäolog Schliemann auf dem Gebiete der alten Stadt Troja Ausgrabungen gemacht, die viel Verschollenes zutage förderten. Unter anderm Hunderte von Spinnwirteln. Auf diesen fiel dem deutschen Forscher immer das gleiche Zeichen auf: ein mit Haken versehenes Kreuz. Es war ein Zeichen, das über die ganze Erde verbreitet war; den gelben Völkern diente es als Glückssymbol, den Indern als Sexualemblem. Allein das wußte Heinrich Schliemann nicht. Er befragte einen französischen Archäologen, einen gewissen Emile Burnouf, um die Bedeutung des wunderlichen Kreuzes. Herr Burnouf, ein Spaßvogel von Phantasie, redete dem leichtgläubigen Deutschen ein, die alten Arier, um ihr heiliges Feuer zu entfachen, hätten Gestelle in solcher Hakenkreuzform als weibliche Bestandteile ihrer Bohrer verwandt. Der vertrauensselige Herr Schliemann glaubte dem spaßhaften Herrn Burnouf. Kommentierte das Hakenkreuz als typisch arisches Phänomen. Die deutschen Patrioten machten diese Erklärung zu einem Eckstein ihrer Rassentheorie, erkoren das indische Fruchtbarkeitsemblem zu ihrem Heilszeichen. Ein Leipziger Geschäftsmann stellte Klebemarken her, auf denen das Hakenkreuz prangte, umkränzt von dem Spruch: »Arierblut/Höchstes Gut.«
    Er hatte Erfolg. Die Schuljungen klebten die Marken inihre Sammelalbums, kleine Geschäftsleute schlossen ihre Briefumschläge damit. Patriotische Galanteriewarenhändler, dadurch angeregt, brachten das Hakenkreuz als Krawattennadeln in Umlauf. Patriotische Ethnologen hängten Theorien daran, ethische, ästhetische Deutungen. Mit dem Wachstum der Wahrhaft Deutschen wurde das Zeichen, das bisher vornehmlich in japanischen und chinesischen Spielklubs und an den Tempeln vielgliedriger indischer Gottheiten zu sehen war, neben den haubenförmigen Kuppen des unvollendeten Doms und dem als Mönch maskierten Kind das populärste Wahrzeichen Münchens.
    Dieses Zeichen trugen die großen, blutroten Fahnen der Wahrhaft Deutschen. Dieses Zeichen malten die Bewohner der bayrischen Hochebene an die Wände, vor allem der Bedürfnisanstalten. Trugen es als Busennadel, als Ring, manche ließen es sich eintätowieren. Unter diesem Zeichen zogen die Münchner zu den Versammlungen Rupert Kutzners. Denn allmontäglich, zuerst im Kapuzinerbräu, dann in den riesigen Biersälen von drei oder vier andern Brauereien, sprach der Führer zum Volk.
    Immer bestimmter verlautete, die Patrioten würden bald losschlagen. Von einem Montag zum andern wartete man, Kutzner werde jetzt den genauen Tag ansagen. Immer dichtere Massen strömten zu seinen Versammlungen, Beamte und Angestellte erzwangen sich früheren Büroschluß, um sich einen Platz zu erstehen. Keiner wollte die Verkündigung des Freiheitstages versäumen.
    In einem der blauen Straßenbahnwagen, die zum Kapuzinerbraukeller fuhren, stand, gepreßt zwischen andern, die zum Kutzner wollten, der Altmöbelhändler Cajetan Lechner. Er war in Holland gewesen, er hatte das Schrankerl wiedergesehen. Der Holländer hatte ihn zum Essen eingeladen. Es war gut und reichlich gewesen; allein der Lechner, befangen durch die Dienerschaft und das ungewohnte Besteck, hatte nicht recht zugegriffen. Hinterher hatte er geschimpft auf den Holländer, den Geizhammel, den notigen, der einenhungern läßt. Aber Aufnahmen jedenfalls von dem Schrankerl hatte er gemacht, gute Aufnahmen, er stand oft davor, das Herz voll Zärtlichkeit, empört über die Regierung, die ihn erst gezwungen hatte, sich von dem Schrankerl zu trennen, und dann duldete, daß ihm ein galizischer Jud das gelbe Haus vor der Nase wegkaufte. Er ging zum Kutzner, überzeugt, der Führer werde ihn rächen und bewirken, daß er doch noch hochkommt.
    Als er aus der Straßenbahn stieg, rempelte ihn einer derb an, entschuldigte sich: »Hoppla, Herr Nachbar.« Es war der Hautseneder.

Weitere Kostenlose Bücher