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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Einfluß, so viele ihrer mit den Wahrhaft Deutschen sympathisierten, nur wenige den Schneid aufbrachten, sich offen zu ihnen zu bekennen. Sehr rühmenswert zum Beispiel der Schmiß, mit dem Herrn Reindls Münchner Zutreiber, der Chefredakteur Sonntag, für die Patrioten warb: aber blieb es nicht verwunderlich, daß Herrn von Reindls norddeutsche Zeitungen ausgesprochen schwarzrothühnerdreckig schrieben, keineswegs patriotisch? Schwarzrothühnerdreckig war die in Bayern übliche Bezeichnung für Schwarzrotgold, die Farben des Reichs. Herr von Reindl zuckte die Achseln; sehr ausdrucksvoll, da er auf dem Bauch lag. Wer klug sei, meinteer, richte sich nach dem Klima. Was in München fortkomme, brauche lange noch nicht in Berlin zu gedeihen. Man müsse gut hinriechen, wo man besser eine Stickstoffabrik gründet oder einen Luftkurort.
    Die Herren lachten, selbst der Masseur lachte bescheiden mit, aber im Innern wurmte den Klenk die Ungeniertheit, wie der Reindl seine Grundsätze dartat. Mächtig, zu Füßen des Lagers, in seiner Lodenjoppe, saß der gewalttätige Mann, auf einem zierlichen Plüschhocker; von der Wand herunter schaute leerwollüstigen Blickes »Leda mit dem Schwan«, eine Kopie des Malers Lenbach nach einem italienischen Meister. Der patriotischen Bewegung jedenfalls, erwiderte er, den zweideutigen Vergleich des Fünften Evangelisten absichtlich mißverstehend, bekomme die bayrische Luft überraschend gut. »Das ist wohl überraschend«, meinte der Reindl, während sein fettbeschmierter Rücken unter den Knetfingern Herrn Zwelfingers sich rötete, »wenn man bedenkt, wie sehr euer preußischer Militarismus uns gegen die Natur geht.« Klenk mußte es schlucken, daß der Reindl sich als den Musterbayern aufspielte.
    »Wir Bayern«, sagte er langsam mit seiner riesigen Baßstimme, »unterstützen den Nationalismus, weil er das beste Mittel ist, den Roten das Wasser abzugraben. Wir zersplittern die revolutionären Schichten, wenn wir den Teil stärken, der zu den Patrioten abwandert.« Der Masseur Zwelfinger lächelte inwendig über die Gewichtigkeit, mit der hier einer verkündete, daß der Schnee weiß sei; denn daß die Großkopfigen bloß aus Gift gegen die Sozis den Wahrhaft Deutschen halfen, war sogar ihm geläufig. »Richtig«, sagte gönnerhaft der Reindl und drehte den Kopf zur Seite, so daß er den Klenk aus seinen gewölbten Augen von unten her anschaute. »Richtig«, wiederholte er mit unverschämter Selbstverständlichkeit. »Damit den Sozialisten Leute weggenommen werden, darum unterstützen wir den Kutzner.«
    Zur Sache selber bemerkte er, daß er den Herren gern Geld verschaffen wolle. Er hoffte, es werde ihm gelingen, gewisseOrganisationen zu finanziellen Beiträgen für die Wahrhaft Deutschen zu veranlassen. Klenk wurde dringlich: ob er nicht selber …
    Nein, der Fünfte Evangelist selber wollte kein Geld geben für Herrn Klenk und seine Partei. Er richtete sich halb hoch, der Masseur wich erschrocken zurück. Der blasse, breitmassige, cremeglänzende Mann und der braunrote, riesige schauten einander ins Auge. Denn das war der Punkt, darauf kam es an: nicht daß der Reindl Geld, sondern daß er endlich seinen Namen hergebe für die Sache des Klenk. »Sehen Sie, Klenk«, sagte er, und der ganze, fleischige Herr war ein Haufen sachten, wohlwollenden Hohnes, »sehen Sie, Sie als guter Wahrhaft Deutscher haben sich bestimmt mit den alten deutschen Sagen beschäftigt. Da ist Ihnen sicher aufgefallen, daß die Helden dieser schönen Geschichten ihre Erfolge sehr oft einem gewissen Zauberapparat verdanken, der unsichtbar macht, der Tarnkappe. Die Ideologen Ihrer Partei nennen das, wenn ich nicht irre, die nordische List. Ich als moderner Wirtschaftler muß sagen, da haben Ihre alten deutschen Schriftsteller ein vernünftiges Prinzip aufgestellt, das noch heut seinen Wert hat. Der Gunther hätte die Brunhilde nie gekriegt ohne die Tarnkappe, und ich, wenn ich Kleines mit Großem vergleichen darf, ich hätte auch manches nicht gekriegt ohne die Tarnkappe. Alles hübsch ohne Aufsehen, nicht viel reden, sich nicht vordrängen: das bleibt eine gute Lebensregel. Sie selber, wenn ich recht im Bilde bin, halten es seit neuestem doch auch so. Warum wollen Sie, daß ich es anders mache?«
    Da hatte ja nun der Fünfte Evangelist recht. Er blieb im Hintergrund, der Klenk; er schob den Kutzner vor und den Vesemann, wie wohl ein modernes Hotel das alte Blechschild mit dem weißen Ochsen als Wappen beibehält.

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