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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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es ist nur eine Frage von Wochen. Wenn irgendeiner, dann hat, verflucht noch mal, er Anlaß, sich sauwohl zu fühlen.
    Er fühlte sich nicht sauwohl. Die Tage vergingen ihm flau, fad. War er allein, sehnte er sich nach Gesellschaft; war er in Gesellschaft, ödete sie ihn an. Reiten freute ihn nicht. Geld, Geschäfte, der Spaß mit dem Boxer Alois freute ihn nicht. Selbst ob es ihm Zufriedenheit bringen wird, wenn er Georg aus dem Gefängnis herausgebissen hat, war ihm zweifelhaft. Jeden Morgen wachte er auf wie nach einer Nacht mit scheußlichem Fusel und mit Weibern, um die es sich nicht lohnt. Was nützte es ihm, wenn er den Kutzner kneten konnte, wie er wollte? Was nützte es ihm, daß die Insarowa mit ihm äugelte? Es war ihm wahrhaftig Neese, was die dummen Jungen von der Partei, was die Weiber über ihn dachten.
    Blödsinnig solche Stimmungen. Er hat sich wie eine Filmdiva.
    Angegangen ist es mit dem Lachen dieser verdammten Hure, der Johanna Krain. Schon falsch. Angegangen ist es, wie er gelesen hat, der Sohn des Professors Jäger habe sich erschossen, weil er sich seines skrupellos deutschvölkischen Vaters schämte.
    Vaterschaft, Blutzusammengehörigkeit. Was denn hat die Wissenschaft herausgekriegt über Blutzusammengehörigkeit? Nichts. Nicht einmal, ob erworbene Eigenschaften vererbt werden könnten, wußte man. Die ganze Wissenschaft vom Blut stak in den Anfängen. Man konnte vier Blutgruppen unterscheiden und wußte, daß Europa einen besonders hohen Prozentsatz von Angehörigen der Blutgruppe A, Asien einen hohen Satz von Angehörigen der Gruppe aufwies. Mehr über die Beziehungen zwischen Blut und Rasse wußte man nicht. Nichts wußte man über die Verteilung der beiden andern Blutgruppen, nichts über den Einfluß der Umwelt, nichts über die Auslesevorgänge, die zur Herausbildung einer bestimmten Blutzusammensetzung unter einem bestimmten Himmel führten. Erich Bornhaak grübelte herum über den rassenkundlichen Wert der Blutgruppeneinteilung. Studierte die Bücher der Dungern, Walter Scheidt, Hirschfeld, fraß sich durch die ganze reichhaltige Literatur. Ergebnis: die vier Blutgruppen, Schluß.
    Die Patrioten machten sich’s leicht. Wo in der Erkenntnis eine Lücke war, sprangen sie einfach mit dem Gefühl hinein. Franzosen und Angelsachsen hatten die Lehre begründet, die den nordischen, germanischen Menschen als den geborenen Herrn der Welt verehrte. Mit was für Begriffen sie herumwarfen: Hochkultur, Herrenvolk, südische, ostische Rasse. Überall gefühlsmäßige Wertungen. Eine weitläufige Mythologie, zusammengebaut, wie Kinder am Meer ihre Sandburgen bauen. Nirgends solider wissenschaftlicher Boden. Wenn man ihn näher belinste, den nordischen Gedanken, dann war er Bluff. Es gab kein wissenschaftliches Kriterium, das eine Rasseneinteilung der Menschen nach der Beschaffenheit ihres Blutes, ihres Gehirns, ihrer Begabung ermöglichte.
    Und dennoch: es gab Juden, die daran starben, daß sie keine Arier waren, und der junge Student Jäger hatte sich erschossen, weil er der Sohn dieses deutschvölkischen Vaters war.
    Er, Erich, war blonder von Haar, blauer von Aug als diemeisten der Wahrhaft Deutschen; unter denen waren viele, die in Dollars dafür bezahlt hätten, wenn ihre Augen so blau, ihre Haare so blond gewesen wären wie die seinen. Wenn es auf die Körpermale ankam, da langte es bei ihm zweimal zum nordischen Menschen. Was für Albernheit, daß solche Körpermerkmale Vorbedingungen sein sollten des Schöpferischen. Klar, daß gerade solche, die nichts aufweisen konnten als eben diese Leibesmale, eine so vernunftbare Theorie aufstellten. Schöpfergeist, heldischer Haß und heldische Liebe, und was sonst alles als Merkmal des nordischen Gedankens zusammengefaßt wurde, gab es das nicht genauso bei den Braunen und Gelben, wuchs das am Stillen Ozean und am Indischen nicht genauso wie am Atlantischen?
    Verflucht. Gerade daß die Theorie Logik ablehnte und Glauben verlangte, zog ihn an. Es war verlockend, das Herz mit dem nordischen Gedanken zu füllen, mit dem heldischen Glauben. Was an Mystik in einem stak, konnte man da hineinschmeißen. Es löste sich alles so einfach, wenn man die Menschen teilte in Helden, in Herrenrassen, von der Natur bestimmt, auszubeuten, und in Feiglinge, in Sklaven, bestimmt, ausgebeutet zu werden.
    Er war frisch, frech, eine Augenweide für Männer und Frauen. Sicher gehörte er dem Herrenvolk an, das die Hochkultur der Welt errichtet hat. Nie und nimmer war der

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