Erfolg
Londoner Interessent auf dem Plan, ein gewisser Herr Curtis Lang. Mr. Lang war nicht abgeneigt, das Geschäft zusammen mit Herrn Hessreiter zu machen.
Nach einigem Telegrammwechsel entschloß sich Herr Hessreiter, nach London zu fahren. Den Schläfenbart nicht allzu kurz, einen weiten, hellgrauen Flauschmantel um sich, eine große Reisemütze auf dem Kopf, saß er im Zug, erfüllt von seiner Wichtigkeit, bedauernd, daß keine Bekannten da waren, denen er von seinen Projekten hätte sprechen können.
Doch auf dem Dampfer von Vlissingen nach Harwich, wen traf er? Ja, der Mann mit dem weißen, fleischigen Gesicht und dem dicken, strahlend schwarzen Schnurrbart warwirklich der Fünfte Evangelist. Herr Hessreiter war geschwellt von Genugtuung, daß nun gerade dieser Protz sah: auch andere Leute waren ins internationale Geschäft gekommen. Soll er den Reindl ansprechen? Es war eigentlich das Gegebene, daß unter solchen Umständen Landsleute, gute Bekannte, sich zusammensetzten. Aber Herr Hessreiter zögerte, er hatte seinen Stolz.
Doch sieh an, Herr von Reindl kam zu ihm. Er schaute keineswegs über ihn hin wie manchmal im Herrenklub oder im Theater. Er schüttelte ihm die Hand, offenbar erfreut, ihn zu sehen. Er war gar kein so Eingebildeter, Hochmütiger, wie alle behaupteten.
Man frühstückte zusammen. Gemütlich zwischen den französischen und englischen klangen die bayrischen Laute; es war eine angenehme Überfahrt. In guten, charmanten Wendungen sprach Herr Hessreiter über Politik, Kunst, Industrie, über München und die Welt. Der Fünfte Evangelist hatte sichtlich Gefallen an ihm. Wie er beispielsweise den Saustall, den unsere Münchner mit der Feldherrnhalle trieben, als das Bestreben bezeichnete, aus diesem schönen Bauwerk ein Warenhaus militärischer Wunschträume zu machen, da hob der Reindl das Glas, trank ihm zu, lächelte angetan. Dann wieder freilich fand Herr Hessreiter, daß der Mann ein damisches Geschau habe; sonderbar werden konnte einem dabei. Aber mein Gott, unsere Eigentümlichkeiten haben wir alle. Die Hauptsache war: reden konnte man mit dem Reindl. Und Herr Hessreiter redete. Es bestand sichtlich gutes Einvernehmen zwischen den beiden Wirtschaftsführern.
»Sie fahren in Geschäften nach London?« fragte nach einer Weile Herr von Reindl höflich. Gelt, da schauen Sie, Herr Nachbar, dachte Hessreiter. Nicht nur die Großkopfigen, deren Name täglich im Handelsteil der Zeitungen genannt wird, es gibt noch andere, die sich ausdehnen, um sich greifen; auch unsereins bleibt nicht faul hocken in einer solchen Zeit. Aber das äußerte er nicht. Vielmehr erwiderte er leichthin, beiläufig, ja, er fahre in Geschäften. Er denke daran,fügte er, da der Reindl schwieg, vertraulich hinzu, allenfalls gemeinsam mit Mr. Curtis Lang die Aktienmajorität der Hetag zu erwerben.
Herr von Reindl kennt Mr. Curtis Lang. Ein guter Mann, ein verläßlicher Mann, etwas umständlich, vorsichtig. Die Hetag, ja. Feines Porzellan, teures Porzellan. Man muß gut gepolstert sein, meinte Herr von Reindl lächelnd, träumerisch, um von soviel Porzellan nichts zu zerbrechen.
Eine eigentümliche Ausdrucksweise hat der Kerl. Schon ein wenig frech. Glaubt er vielleicht, ich bin nicht gut gepolstert? Grad zeigen werd ich’s ihm. Grad erst recht kaufen werd ich die Hetag, auch wenn der damische Engländer nicht mitmacht.
Der Engländer machte nicht mit. Aus Darmstadt kamen Telegramme, die Besitzer des Aktienpakets drängten. »Wenn der Mut in der Brust seine Spannkraft übt«, sang es in Herrn Hessreiter. »Ein königlicher Kaufmann«, sang es in seinem Hirn. Er gab Weisung zu kaufen.
Befriedigt kehrte er nach München zurück. Beiläufig erzählte er Frau von Radolny, Herrn Pfaundler, seinen Spezln im Herrenklub, er habe den Fünften Evangelisten auf der Überfahrt getroffen. Ein netter Mensch, gar nicht so geschwollen, wie man immer sagt. Den größeren Schneid allerdings habe er, Hessreiter. Frau von Radolny war bedenklich, als sie erfuhr, Herr Hessreiter kontrolliere jetzt die Hetag. Auch Pfaundler, als er davon erfuhr, schaute Herrn Hessreiter geschwind ein wenig auf und ab mit seinen flinken Mausaugen. Herr Hessreiter, unter diesem Blick, dachte unvermittelt an Johanna Krain. Herr Pfaundler aber sagte nichts, er beschränkte sich darauf, Herrn Hessreiter Glück zu wünschen.
Die Mark stürzte weiter, der Dollar kletterte in den Himmel. Die großen Unternehmungen schlangen, schmatzten, arbeiteten sich ab, sie
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