Erfolgreiches Teamcoaching
zu haben. Ein Sieg gegen Nürnberg zählt dagegen nur als Pflichtsieg. Dummerweise ist der Sport aber ganz nüchtern. Am Ende zählen immer die erzielten Tore, Körbe oder Punkte. Meister wird die Mannschaft mit den meisten Punkten, gleichgültig, gegen wen ich diese geholt habe.
Einmal habe ich versucht, den Favoriteneffekt dadurch zu verhindern, indem ich der Mannschaft einen Fragebogen gegeben habe, der so konzipiert war, dass die Spielerinnen selbst drauf kommen sollten, welche Gefahr in einer möglichen Überheblichkeit liegt. (Dazu gehörten Fragen wie: „Wie schwer schätzt du das bevorstehende Spiel ein?“; „Wo siehst du im Hinblick auf das Spiel die größten Gefahren für uns?“; „Was würdest du als Trainer der Mannschaft in der Besprechung vermitteln wollen?“ und: „Was kannst du dafür tun, in das Spiel mit der gleichen Einstellung zu gehen, wie wenn der Gegner der Tabellenführer wäre?“)
Dahinter steckte die Idee, dass es wirksamer ist, aus eigener Einsicht zu Erkenntnissen zu gelangen, als wenn ich es nur von jemand anderem gesagt bekomme. Das werden Sie sicher alle schon bei sich selbst erlebt haben. Selbst gemachteErfahrungen und selbst gewonnene Erkenntnisse sind grundsätzlich viel stärker handlungsleitend als Äußerungen eines anderen Menschen. In dem genannten Fall verbuchte ich mit dieser Maßnahme einen Teilerfolg – wir spielten unentschieden. Dieses durchwachsene Resultat macht deutlich, was ich zu Anfang des Kapitels sagte: Auch wenn ich um die Gefahr des Favoriten weiß, bin ich vor ihr nicht sicher, da mein Hinterkopf nur begrenzt von meinen bewussten Gedanken beeinflusst wird.
Eine Möglichkeit besteht natürlich auch darin, die Spieler mithilfe von Provokationen zum Nachdenken zu bringen. Einem Trainer habe ich empfohlen, Folgendes zu tun: Er sollte der Mannschaft sagen, dass sie das Spiel gegen den bisher noch punktlosen Tabellenletzten sicher gewinnen würde und dass er es nicht für nötig erachte, sich eingehender mit dem Gegner zu beschäftigen. Die Frage war nun, ob die Spieler protestieren würden oder ob sie seine Äußerungen so hinnahmen.
Wenn sie widersprachen, hätte die Provokation direkt gewirkt und sie selbst würden die Verantwortung für eine angemessene Einstellung auf das Spiel übernehmen. Für den Fall, dass seine Äußerungen unwidersprochen blieben, könnte er nachfragen, warum sie das so hinnehmen würden. Ob sie sich nicht klar darüber wären, wozu eine solche laxe Einstellung führen könne? Die Chance wäre dann, dass sich die Spieler ertappt fühlen und dadurch der Nachdenkeffekt verstärkt würde.
Ich weiß leider nicht genau, wie das konkrete Gespräch verlaufen ist, aber offensichtlich hat die Maßnahme gut gewirkt, denn die Mannschaft gewann das Spiel souverän. Provokationen stellen oftmals ein wirksames Mittel dar, aber sie sind auch gefährlich. Sie sollten dieses Mittel deshalb nur unter der Voraussetzung anwenden, dass Ihre Beziehung zum Team gut ist. Wenn Sie umstritten sind, erreichen Sie möglicherweise nur, dass die Spieler noch mehr von Ihnen abrücken. Außerdem sollten Sie bedenken, dass sich dieses Mittel schnell abnutzt, wenn man es öfters benutzt.
Es gibt noch etwas, was Sie im Vorfeld machen können. Sprechen Sie mit Ihrer Mannschaft in einer ruhigen Stunde durch, wie Sie sich bei einem Rückstand gegen einen Außenseiter verhalten wollen. Gefährlich ist es besonders, wenn Ihre Mannschaft von dieser Situation überrascht wird und dann Angst vor der Niederlage bekommt.
Dann reagieren die Spieler oftmals verkrampft und kopflos. Wenn ich aber auf diese Situation vorbereitet bin, wenn ich einen Handlungsplan habe, dannbleibe ich kontrolliert und handlungsfähig. Ein Handlungsplan kann so aussehen, dass Sie vorher bestimmte Angriffszüge vereinbaren, die Sie bei Rückstand bevorzugt einsetzen wollen. (Im Handball kann das zum Beispiel bedeuten, dass man vor dem Spiel abspricht, in diesem Fall kurz vor Schluss bevorzugt den linken Rückraum zum Schuss freizublocken.)
Oder indem Sie bestimmte verbale Signale absprechen, mit denen sich die Spieler auf dem Platz gegenseitig aufbauen können („Am Ende siegen wir.“ „Darauf sind wir vorbereitet.“ „Jetzt kommt unser Moment.“ usw.).
Erfolg versprechend ist es in einer solchen Situation besonders, geduldig zu bleiben. Geduld ist eine der größten Tugenden. Beharrlichkeit, das unermüdliche Hinwirken auf den Erfolg, ist für mich überhaupt eines der wichtigsten
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