Erfolgreiches Teamcoaching
Rotella
Mir ist schon oft aufgefallen, wie schwer sich die meisten Sportler mit dem Gefühl der Angst tun. Es ist fast so, als wenn ein Sportler keine Angst haben dürfte, wahrscheinlich weil er meint, dass er dann eine Schwäche preisgeben würde, welche sich sofort zu seinem Nachteil ausgenutzt würde. Bei Mannschaften verstärkt sich dieser Mechanismus noch einmal, da man sich vor den anderen Mitspielern nicht als schwächlich präsentieren will. Oftmals geht die Verdrängung so weit, dass die Athleten nicht einmal sich selbst gegenüber ihre Angst eingestehen.
Dabei ist Angst etwas zutiefst Menschliches. Sie ist uns nicht umsonst in unserer Natur mitgegeben worden. Angst hat eine wichtige Funktion für uns: Sie macht uns aufmerksam, lässt uns unnötige Risiken vermeiden und sie macht uns handlungsfähig, z. B. indem sie zu einer verbesserten Durchblutung der Muskulatur führt. Es ist eine der ältesten Erkenntnisse der Psychologie, dass unsere Leistungsfähigkeit entscheidend von unserer körperlichen Erregung abhängt ( siehe Abbildung 9 ). Wenn wir zu entspannt sind, werden wir keine guten Leistungen bringen. Sind wir jedoch zu aufgeregt, so verkrampfen wir und unsere Leistungen werden ebenfalls unbefriedigend sein. Die Kunst besteht darin, das richtige Maß an Erregung vor dem Wettkampf aufzubauen, welche ich für mein Leistungsmaximum benötige.
Abb. 9: Der Zusammenhang zwischen Leistung und Erregung
Etwas Angst ist also hilfreich. Die Angst darf nur nicht so groß sein, dass sie uns beherrscht und blockiert. (Besonders auf die koordinativen und komplexen Anforderungen des Spielsports wirkt sich ein Übermaß an Angst negativ aus.) Zu große Angst reduziere ich aber nicht dadurch, dass ich sie verdränge. Ich brauche sie dann zwar nicht zu spüren, aber ihren unheilvollen Einfluss auf mich wird sie weiterhin ausüben. Das ist der typische Denkfehler, den viele Menschen und auch viele Sportler begehen. Was ich nicht fühle, ist noch lange nicht weg. Hilfreich ist vielmehr das Gegenteil. Angst will, wie alle Gefühle, gesehen werden.
Angst will wahrgenommen werden. Mehr nicht.
Es geht gar nicht darum, zitternd in der Ecke zu sitzen. Häufig hilft es schon, sich selbst überhaupt einzugestehen, dass man Angst hat. Noch wirkungsvoller wird es, wenn Sie Ihre Angst einer Vertrauensperson gegenüber äußern. Probieren Sie es einmal aus. Sie werden überrascht sein, wie entlastend es ist, wenn Sie Ihre Ängste einmal aussprechen. Das gilt dann natürlich genauso für Ihre Spieler.
Ermutigen Sie diese, ihre Ängste auszusprechen. Schaffen Sie eine Atmosphäre des Vertrauens, damit es den Spielern möglich wird. Gehen Sie als gutes Beispiel voran, indem Sie der Mannschaft Ihre eigenen Befürchtungen eingestehen. Ihre Schützlinge werden sowieso merken, wenn Sie Angst haben. Egal, wie gut Sie das zu verbergen wissen, darin haben Spieler ein untrügliches Gespür, wie ich immer wieder erleben konnte.
Um zu zeigen, welche positive Wirkung das Eingestehen der eigenen Ängste haben kann, will ich Ihnen ein Beispiel erzählen. Eine von mir damals betreute Mannschaft musste im Pokalhalbfinale gegen den amtierenden deutschen Meister antreten, der wenige Wochen zuvor seinen Titel souverän verteidigt hatte. Zu dieser an sich schon schwierigen Situation kam hinzu, dass das Team gegen diesen Gegner in den letzten vier Bundesligabegegnungen jeweils eine deftige Niederlage kassiert hatte. Natürlich hatten die Spielerinnen Bammel vor diesem Match, auch wenn es niemand offen aussprach.
Ein paar Tage vor dem Spiel haben wir uns deshalb zusammengesetzt und unsere Angst bewusst angesprochen. Schon an diesem Abend konnte jede Spielerin spüren, dass plötzlich eine Erleichterung eintrat. Wenn wir der Angst offen ins Gesicht sahen, konnte sie uns nicht mehr in ihren Bann ziehen.
Um diesen Effekt in das Spiel mitzunehmen, machten wir Folgendes: Jede Athletin, inklusive des Betreuerstabs, bekam in der Kabine eine Pampers mit ihremNamen drauf ausgehändigt, in die sie sinnbildlich machen konnte. Diese kamen in eine große Sporttasche, welche während des Spiels neben der Bank stand. Die Angst durfte also symbolisch mit zum Spiel. Aber damit stand sie zugleich nicht mehr im Mittelpunkt, auch nicht heimlich, sondern sie war einfach als ein Aspekt dabei. So frei habe ich das Team noch nie aufspielen sehen. Schon zur Halbzeit hatte es eine sichere Führung erspielt, die es nicht mehr abgab. Sicher können Sie sich den erleichterten
Weitere Kostenlose Bücher