Erfolgreiches Teamcoaching
sechs Aspekte ganz bestimmt nicht, nämlich die Gnadenlosigkeit. Aber es ist ein wesentlicher Punkt, dass David sich nicht damit begnügt, den Riesen mit der Steinschleuder zu treffen. Er hackt ihm anschließend mit dessen Schwert den Kopf ab! Das klingt grausam, aber nur so konnte er sicher sein, dass der Gegner sich nicht wieder aufrafft und doch noch den Zweikampf gewinnt. So verhält es sich auch im Spiel. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie führen als das Team vom Mitteldeutschen BC gegen ALBA Berlin im Basketball 10 Minuten vor Schluss mit 15 Punkten Vorsprung. Haben Sie dann schon gewonnen? Nein, Sie müssen den Mut haben, den Gegner endgültig zu erlegen. Häufig aber passiert genau das Gegenteil. Der Außenseiter bekommt plötzlich Angst vor der eigenen Courage und verspielt am Ende noch seinen Vorsprung.
Ein klassisches Beispiel war das Wimbledonendspiel zwischen Jana Novotna und Steffi Graf im Jahre 1996. Die Tschechin führte gegen die wenig überzeugende Favoritin im dritten Satz schon 4:1 bei eigenem Aufschlag. Alles schien gelaufen zu sein. Novotna stand ganz dicht vor ihrem ersten Wimbledonsieg. Doch dann fingen ihre Nerven an zu flattern. Sie gewann kein Spiel mehr und gab das Match mit 4:6 ab. Sie hatte ganz einfach Angst vor dem eigenen Erfolg bekommen.
Wie man eine solche Situation besser lösen kann, hat dagegen Arthur Ashe vorgemacht. Wie James Loehr in seinem Buch anschaulich berichtet (Loehr, 1997), hatte sich Ashe am Tag vor seinem Wimbledonendspiel gegen den favorisiertenTitelverteidiger Jimmy Connors immer wieder vor seinem inneren Auge vorgestellt, wie er den Matchball verwandelt. Derart vorbereitet, blieb er am Finaltag ganz cool und holte sich den Titel.
Es hilft also, sich geistig auf den Erfolg vorzubereiten. Ob Sie das mithilfe von Visualisierungen machen oder ob Sie dazu andere Mittel wählen, spielt keine Rolle. Sie können natürlich auch im Training solche Situationen simulieren, etwa indem Sie zwei ungleich starke Teams gegeneinander spielen lassen, wobei das schwächere Team führt und nur noch sieben Minuten zu spielen sind. Das schult zugleich die Mitglieder des stärkeren Teams, mit der Situation eines Rückstandes trotz Überlegenheit klarzukommen. Solche Trainingsformen nennt man in der Sportpsychologie „wettkampfnahes Training“. Sie werden damit niemals die wirkliche Wettkampfsituation erlebbar machen, aber es bedeutet ein gewisse Annäherung und es hilft deshalb, die Athleten im Umgang mit den entsprechenden Spielsituationen zu schulen.
Den Sieg vor Augen, fehlte Jana Novotna der Mut zum Todesstoß.
15 Wie Goliath gewonnen hätte – vom Umgang mit der Favoritenrolle
15.1 Das Handicap des Favoriten
Im vorigen Kapitel habe ich darüber gesprochen, wie Sie es schaffen können, dass Ihre Mannschaft gegen einen klaren Favoriten mutig spielt und dadurch die Siegchance nutzt. Jetzt möchte ich mich mit dem umgekehrten Fall beschäftigen. Sie alle kennen das Problem: Ihre Mannschaft tritt zu Hause als Spitzenmannschaft gegen ein Team der Abstiegszone an. Vielleicht ist es sogar noch extremer und Sie müssen im Pokal gegen einen unterklassigen Gegner spielen. Obwohl bekannt ist, dass der Pokal eigene Gesetze hat, verhalten sich Ihre Athleten vor dem Spiel lockerer als sonst. Sie spüren, dass Ihre Mahnungen, den Gegner ernst zu nehmen, zu keiner befriedigenden Reaktion bei den Spielern führen.
Das ist verständlich. Die Woche über hat jeder Spieler mehrfach zu hören bekommen, dass es am Wochenende ja wohl einen sicheren Sieg gäbe. Die Spieler haben alle schon in Gedanken ausgerechnet, wie sie in der Tabelle mit den drei Punkten für den Sieg dastehen. Ein Erfolg ist also selbstverständlich. Deshalb gibt es in dem Spiel gar nichts mehr zu gewinnen. Wenn die Mannschaft siegt, na ja, dann war das doch nur selbstverständlich. Keine besondere Leistung. Das führt zu Überheblichkeit und damit verbunden zu Nachlässigkeit. Machen Sie sich als Trainer klar: Diesen Effekt können Sie meiner Erfahrung nach nicht völlig verhindern. Denn die Überheblichkeit entsteht nicht in unserem bewussten Denken, sondern im Hinterkopf. Da kommen Sie bei aller guter Absicht niemals richtig ran.
Christian Wörns machte das Problem der Überheblichkeit in einem Interview (Wörns, 2003) sehr schön deutlich. Er sagte: „Ich denke, jeder Spieler glaubt vor jedem Spiel, er geht mit der richtigen Einstellung da rein. Aber im Unterbewusstsein spielt sich dann etwas ganz anderes ab. Du
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