Erfuellung
Fußgängermassen verstopften die Bürgersteige, und die rubinroten Glasstufen am Duffy Square waren voller Menschen, die sich gegenseitig fotografierten. Uniformierte Polizisten hielten die Straßenecken besetzt und achteten aufmerksam darauf, dass niemand Ärger machte. Straßenkünstler übertrafen einander mit ihren lautstarken Darbietungen, und die Essensgerüche von den fliegenden Ständen konkurrierten mit den weit weniger appetitlichen Gerüchen der Straße selbst.
Riesige elektronische Anzeigentafeln bedeckten die Häuserwände ringsum und buhlten um Aufmerksamkeit, darunter auch eine, die Cary mit einem weiblichen Model zeigte, das von hinten seine Arme um ihn schlang. Kameraleute und Tontechniker lungerten um eine mobile Videowand herum, die auf einer fahrbaren Bühne montiert und vor der Tribüne aufgestellt worden war.
Brett kletterte als Erster aus der Limo und wurde sofort vom ekstatischen Kreischen seiner begeisterten, überwiegend weiblichen Fans begrüßt. Er ließ sein Killerlächeln aufblitzen, winkte und streckte dann seine Hand in den Wagen, um mir herauszuhelfen. Mein Empfang war weit weniger herzlich, vor allem als Brett den Arm um meine Taille legte. Carys Auftritt löste hingegen ein unüberhörbares Raunen aus. Er setzte seine Sonnenbrille auf und erntete prompt verzückte Zurufe und bewundernde Pfiffe.
Die Reizüberflutung war gewaltig, aber es ernüchterte mich sofort, als ich Christopher Vidal junior entdeckte, der sich mit dem Moderator einer Boulevardsendung unterhielt. Gideons Bruder trug wie zu einem Geschäftstermin Hemd, Krawatte und dunkelblaue Hose. Selbst in dem frühabendlichen Dämmerlicht zwischen den Hochhäusern, die uns umgaben, stach sein kastanienbraunes Haar noch heraus. Er winkte, als er mich sah, was natürlich auch den Fernsehmoderator auf mich aufmerksam machte. Ich winkte zurück.
Die restlichen Mitglieder von Six-Ninths standen bereits vor den Zuschauerrängen und gaben Autogramme. Ihnen machte der ganze Rummel sichtlich Spaß. Ich sah zu Brett. »Na los, mach dein Ding.«
»Ehrlich?« Er musterte mich, um sicherzugehen, dass es mir nichts ausmachte, wenn er mich allein ließ.
»Ja, klar.« Ich bedeutete ihm mit einer Handbewegung loszuziehen. »Das ist euer Tag. Genieß ihn. Ich bin hier, wenn die Show beginnt.«
»Okay«, lächelte er. »Aber geh nicht weg.«
Als er weg war, gingen Cary und ich zu dem Pavillon, auf dem das Logo von Vidal Records prangte. Abgeschirmt vom firmeneigenen Sicherheitsdienst bildete es eine winzige Oase im Hexenkessel des Times Square.
»Tja, Baby, mit dem Typ wirst du noch deine liebe Not haben. Ich hatte ganz vergessen, wie eng ihr euch früher standet.«
»Ganz richtig: früher «, stellte ich klar.
»Er ist anders als früher«, fuhr er fort. »Irgendwie … ruhiger.«
»Das ist schön für ihn. Vor allem angesichts all der Dinge, die derzeit in seinem Leben passieren.«
Er musterte mich interessiert. »Reizt es dich denn kein bisschen auszuprobieren, ob er dich noch immer um den Verstand vögeln kann?«
Ich funkelte ihn böse an. »So was ändert sich nicht. Und ich bin überzeugt, er hatte ausreichend Gelegenheit, sein bereits beeindruckendes Können noch zu perfektionieren.«
Er lachte und hob erstaunt die Augenbrauen. »Du wirkst so unerschütterlich.«
»Na, der Eindruck täuscht.«
»Sieh an, sieh an, wen haben wir denn da?«, murmelte er und lenkte meine Aufmerksamkeit auf Gideon, der sich mit Ireland an seiner Seite näherte. »Und er steuert direkt auf uns zu. Wenn’s eine Schlägerei wegen dir gibt, seh ich mir das Ganze von der Tribüne aus an.«
Ich stupste ihn mit der Seite an. »Vielen Dank auch.«
Es verblüffte mich, wie Gideon bei dieser Hitze in seinem Anzug so kühl wirken konnte. Ireland trug einen glockenförmigen Hüftrock und ein eng anliegendes bauchfreies Top und sah fantastisch aus.
»Eva!«, rief sie und rannte ihrem Bruder voraus auf uns zu. Sie umarmte mich zur Begrüßung und trat dann einen Schritt zurück, um mich zu betrachten. »Wahnsinn! Da muss er sich doch selbst in den Hintern beißen.«
Ich sah an ihr vorbei zu Gideon und suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen dafür, ob er sauer wegen Brett war. Ireland wandte sich ab und umarmte Cary zu dessen Überraschung ebenfalls. In der Zwischenzeit trat Gideon auf mich zu, legte seine Hände behutsam auf meine Oberarme und küsste mich wie ein Franzose auf beide Wangen.
»Hallo, Eva.« Seine Stimme hatte diesen rauen Unterton,
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