Erfuellung
Cary ein angestrengtes Lächeln, während mein Puls wie verrückt hämmerte. »Hey.«
»Du siehst toll aus, Baby«, sagte er und griff nach meiner Hand.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Angus aus dem Bentley stieg. In diesem kurzen Moment der Ablenkung entging mir völlig, dass Brett die Arme nach mir ausstreckte. Erst als ich seine Hände an meiner Taille spürte, begriff ich, dass er mich küssen wollte, und wandte in letzter Sekunde den Kopf ab. Seine Lippen berührten meinen Mundwinkel. Sie fühlten sich warm und vertraut an. Ich wich zurück und stolperte über Cary, der mich an den Schultern auffing.
Desorientiert und vor Verlegenheit errötend vermied ich es krampfhaft, Brett anzusehen – und blickte prompt in die eisig blauen Augen von Gideon.
16
Zur Salzsäule erstarrt stand Gideon vor den Drehtüren des Crossfire Buildings und sah mich mit einem so stechenden Blick an, dass ich zusammenzuckte.
Sorry , formte ich lautlos mit den Lippen. Ich fühlte mich schrecklich, da ich genau wusste, wie erbost ich gewesen wäre, wenn Corinnes Mund ihn neulich irgendwo berührt hätte.
»Hi«, begrüßte mich Brett, der viel zu sehr auf mich fixiert war, um die dunkle Gestalt wahrzunehmen, die nur ein paar Schritte entfernt mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen stand.
»Hey.« Ich spürte, wie Gideon mich beobachtete, und es fühlte sich schrecklich an, nicht einfach zu ihm hinübergehen zu dürfen. »Können wir?«
Ohne auf die Jungs zu warten, riss ich die Tür der Limo auf und stieg ein. Noch bevor mein Hintern den Sitz berührte, hatte ich das Notfallhandy aus meiner Handtasche gerissen, um Gideon rasch eine Nachricht zu schicken: Ich liebe dich.
Brett machte es sich neben mir auf der Rückbank bequem, dann schlüpfte Cary herein.
»Über deine hübsche Visage stolpert man zurzeit ja wirklich überall«, sagte Brett zu Cary.
»Stimmt.« Cary warf mir ein schiefes Lächeln zu. Er sah fantastisch aus in seiner zerschlissenen Jeans und dem Designer-T-Shirt. An den Handgelenken trug er Lederarmbänder, die zu seinen Stiefeln passten.
»Ist der Rest der Band auch hier?«, fragte ich.
»Klar, alle da.« Brett schenkte mir erneut sein Grübchenlächeln. »Wir waren noch keine Minute im Hotel, da hat Darrin bereits gepennt.«
»Ich versteh nicht, wie er stundenlang Schlagzeug spielen kann. Allein das Zusehen macht mich schon fertig.«
»Wenn du auf der Bühne stehst und das Adrenalin jagt dir durch die Adern, dann kommt die Power von alleine.«
»Wie geht’s Erik?«, erkundigte sich Cary mit mehr als nur beiläufigem Interesse. Das ließ mich nicht zum ersten Mal darüber nachdenken, ob zwischen ihm und dem Bassisten der Gruppe mal etwas gelaufen war. Soweit ich wusste, war Erik nicht schwul, aber es hatte hier und da Anzeichen dafür gegeben, dass er mit meinem besten Freund womöglich ein wenig herumexperimentiert hatte.
»Erik hat gerade mit ein paar Problemen zu kämpfen, die während der Tour aufgekommen sind«, antwortete Brett. »Und Lance ist jetzt mit einem Mädchen zusammen, das er bei unserem letzten Aufenthalt in New York kennengelernt hat. Ihr werdet sie ja alle gleich treffen.«
»Das Leben eines Rockstars«, stichelte ich.
Brett zuckte lächelnd mit den Achseln.
Ich senkte den Blick. Inzwischen bedauerte ich meine Entscheidung, Cary mitzubringen, da ich Brett nun nicht sagen konnte, was ich ihm sagen musste: nämlich dass ich einen anderen liebte und es für uns keine Hoffnung gab.
Eine Beziehung zu Brett würde sich grundlegend von dem unterscheiden, was ich mit Gideon erlebte. Ich hätte eine Menge Zeit für mich selbst, während er auf Tour wäre, und könnte all die Erfahrungen machen, von denen ich glaubte, dass sie mir noch fehlten. Ich würde von meinen eigenen Einkünften leben, wäre unabhängiger und könnte mehr Zeit allein oder mit meinen Freunden verbringen. Ich hätte quasi das Beste aus beiden Welten: eine feste Beziehung und reichlich individuellen Freiraum.
Aber so sehr mir der übergangslose Schritt vom College in eine lebenslange Bindung auch Angst einjagte, ich zweifelte nicht im Geringsten daran, dass Gideon der Mann war, den ich wollte. Lediglich unser Timing stimmte im Moment nicht. Während ich keinen Grund zur Eile sah, fand er, es gäbe keinen Anlass zu warten.
»Wir sind da«, sagte Brett und sah aus dem Fenster auf die Menschenmenge.
Trotz der schwülen Hitze an diesem Tag war der Times Square so überfüllt wie gewöhnlich.
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