Erfuellung
Hand. »Ihre Bräune hat hier einen Ring abgezeichnet. Einen ganz schön großen, wie es scheint. Ein Verlobungsring womöglich?«
Ich sah auf meine Hand und stellte fest, dass er recht hatte. Auf meinem Ringfinger war ein quadratischer Fleck zu sehen, der eine Spur heller war als die restliche Haut. Im Unterschied zu meiner Mutter, die einen eher blassen Teint besaß, hatte ich den dunklen Hauttyp meines Vaters geerbt und wurde sehr schnell braun.
»Sie sind ein ausgezeichneter Beobachter. Aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Mutmaßungen für sich behalten würden.«
Er lächelte, und zum ersten Mal wirkte es aufrichtig. »Vielleicht bekomme ich meine Frau am Ende ja doch zurück.«
»Durchaus möglich, wenn Sie es nur endlich versuchen würden.« Ich beschloss, dass es Zeit wurde zu gehen, und setzte mich auf. »Wissen Sie, was Ihre Frau mir einmal gesagt hat? Sie sagte, Sie seien so unglaublich gleichgültig. Statt darauf zu warten, dass sie zurückkommt, sollten Sie sie einfach zurückholen. Meiner Meinung nach ist es das, was sie will.«
Er stand auf, als ich mich erhob, und sah auf mich herab. »Sie ist Cross hinterhergelaufen. Ich glaube nicht, dass eine Frau, die anderen hinterherläuft, einen Mann attraktiv finden würde, der ihr hinterherläuft.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.« Ich zog einen Zwanziger aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch, ohne seinem beleidigten Blick Beachtung zu schenken. »Sie hat Ja gesagt, als Sie ihr einen Antrag gemacht haben, oder etwa nicht? Also tun Sie einfach dasselbe, was Sie davor getan haben. Auf Wiedersehen, Jean-François.«
Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber da war ich bereits zur Tür hinaus.
Angus wartete neben dem Bentley, als ich aus dem Weinlokal trat.
»Möchten Sie gerne nach Hause, Mrs. Cross?«, fragte er, als ich in den Fond stieg.
Bei seiner Anrede musste ich grinsen. So kurz nach der Unterredung mit Giroux brachte es mich auf eine Idee. »Offen gesagt, würde ich noch gerne einen Zwischenstopp einlegen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Keineswegs.«
Ich gab ihm die Adresse, lehnte mich zurück und genoss die aufkeimende Vorfreude.
Es war halb sieben, als ich schließlich nach Hause wollte, aber Gideon war noch immer im Büro, wie Angus mir sagte.
»Würden Sie mich zu ihm bringen?«, fragte ich.
»Selbstverständlich.«
Um diese späte Uhrzeit ins Crossfire Building zurückzukehren, war ein merkwürdiges Gefühl. Es hielten sich zwar noch immer einige Leute in der Eingangshalle auf, aber die Stimmung war anders als tagsüber. Im obersten Stockwerk fand ich die gläsernen Sicherheitstüren zu Cross Industries weit offen, und eine Putzkolonne war gerade dabei, die Papierkörbe auszuleeren, die Scheiben zu putzen und zu saugen.
Ich lief ungehindert bis zu Gideons Büro durch und bemerkte auf dem Weg die vielen leeren Arbeitsplätze, einschließlich dem von Scott, seinem Sekretär. Gideon stand hinter seinem Schreibtisch, ein Headset ans Ohr geklemmt. Sein Sakko hing auf einem Bügel an der Garderobe. Er hielt die Hände in die Hüften gestemmt und telefonierte. Seine Lippen bewegten sich ungeheuer schnell, sein Gesicht wirkte hoch konzentriert.
Die Wand ihm gegenüber war mit Flatscreen-Bildschirmen bedeckt, auf denen Nachrichten aus aller Welt liefen. Rechts davon schloss sich eine Bar mit beleuchteten Regalflächen an, auf denen Kristallkaraffen in schillernden Farben für den einzigen Farbklecks in der ansonsten kühlen, strengen Büroeinrichtung in Schwarz, Grau und Weiß sorgten. Drei verschiedene Sitzgruppen boten ausreichend Platz für weniger formelle Treffen, während Gideons schwarzer Schreibtisch ein Wunderwerk modernster Technologie war und als zentrale Schaltstelle für alle elektronischen Geräte im Raum diente.
Inmitten all seiner teuren Spielzeuge stand mein Ehemann und sah einfach zum Anbeißen aus. Der exquisite Schnitt seiner Weste und Hose unterstrich seinen perfekten Körperbau, und sein Anblick hier in seiner Kommandozentrale, wie er jene Macht demonstrierte, mit der er sein Imperium erschaffen hatte, ließ mein Herz verrückt spielen. Die raumhohen Fenster, die ihn an zwei Seiten umgaben, erlaubten einen Panoramablick über die Stadt, der zwar eine eindrucksvolle Hintergrundkulisse abgab, die imposante Figur des Hausherrn aber in keinster Weise schrumpfen ließ.
Gideon herrschte über alles, was er überblickte. Das war unverkennbar.
Ich griff in meine Handtasche, öffnete den
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