Erfuellung
eben etwas anderes.«
»Das wäre schön.«
»Okay, wir sind also verabredet.« Das würde uns beiden guttun. Es gäbe meinem Dad einmal mehr den Eindruck, dass mein Leben ganz normal verlief, und es würde Megumi daran hindern, sich ständig den Kopf über Michael zu zerbrechen. »Wir machen um fünf Uhr Feierabend.«
»Hier lebst du?« Megumi legte den Kopf in den Nacken und blickte an meinem Appartementhaus empor. »Hübsch.«
Wie die anderen Häuser an dieser dreispurigen Straße auch besaß es eine gewisse Geschichte und zeigte dies durch einige architektonische Details, die von modernen Bauherren nicht mehr eingesetzt wurden. Das Gebäude war modernisiert worden, unter anderem gab es nun ein Glasdach über dem Eingang, das erstaunlich gut zum Rest der Fassade passte und die Bewohner vor Regen schützte.
»Komm schon«, sagte ich zu ihr und lächelte Paul zu, der die Tür für uns öffnete. Als wir auf meiner Etage aus dem Aufzug stiegen, zwang ich mich, Gideons Tür nicht anzusehen. Wie würde es wohl sein, eine Freundin in eine Wohnung mitzubringen, die ich mit Gideon teilte?
Ich wünschte mir das. Ich wollte mir etwas Gemeinsames mit ihm aufbauen.
Ich schloss mein Appartement auf und nahm Megumi ihre Tasche ab, als sie eintrat. »Fühl dich ganz wie zu Hause. Ich gebe nur eben meinem Dad Bescheid, dass wir da sind.«
Sie machte große Augen, als sie sah, dass Wohnzimmer und Küche ineinander übergingen. »Diese Wohnung ist riesig.«
»So viel Platz brauchen wir eigentlich gar nicht.«
Sie grinste. »Aber wer würde sich beschweren?«
»Stimmt.«
Ich ging durch den Flur ins Gästezimmer, als meine Mutter aus dem anderen Gang kam, der zu meinem und Carys Schlafzimmer auf der anderen Seite des Wohnbereiches führte. Ich blieb stehen und war verblüfft, dass sie einen Rock und eine Bluse von mir trug. »Mom? Was tust du denn hier?«
Ihre geröteten Augen blickten auf einen unbestimmten Punkt irgendwo an meiner Taille. Ihre Haut war so blass, dass ihr Make-up übertrieben wirkte. In diesem Augenblick wurde mir jedoch klar, dass sie auch meine Schminke benutzt hatte. Wir wurden gelegentlich für Schwestern gehalten, aber meine grauen Augen und die blass olivfarbene Haut hatte ich von meinem Vater geerbt. Für sie benötigte man eine andere Farbpalette als für die Pastelltöne meiner Mutter.
Mir wurde leicht übel. »Mom?«
»Ich muss gehen.« Sie konnte mir nicht in die Augen sehen. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie spät es ist.«
»Warum trägst du meine Sachen?«, fragte ich, obwohl ich es wusste .
»Ich habe mir etwas auf mein Kleid geschüttet. Ich bringe sie dir bald wieder.« Sie eilte an mir vorbei und blieb abrupt stehen, als sie Megumi entdeckte.
Ich konnte mich nicht bewegen, meine Füße schienen am Teppich festgewachsen zu sein. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, und ich hatte einen Kloß im Hals vor Wut und Enttäuschung.
»Hi Monica.« Megumi kam zu uns, um sie zu umarmen. »Wie geht es Ihnen?«
»Megumi. Hi.« Meine Mutter hatte eindeutig Mühe, die richtigen Worte zu finden. »Schön, Sie zu sehen. Ich wünschte, ich könnte bleiben und etwas Zeit mit euch verbringen, aber jetzt muss ich mich beeilen.«
»Wartet Clancy unten auf dich?«, fragte ich, denn ich hatte bei meiner Ankunft draußen nicht auf die anderen Autos geachtet.
»Nein, ich nehme mir ein Taxi.« Sie sah mich immer noch nicht direkt an, auch wenn sie den Kopf in meine Richtung wandte.
»Megumi, hättest du etwas dagegen, dir ein Taxi mit meiner Mutter zu teilen? Tut mir leid, dich jetzt so unvermittelt im Stich zu lassen, aber ich fühle mich plötzlich nicht wohl.«
»O sicher.« Sie musterte mein Gesicht, und verstand, dass meine Stimmung sich schlagartig verschlechtert hatte. »Kein Problem.«
Meine Mutter sah mir endlich in die Augen, aber ich war sprachlos. Ihren schuldbewussten Gesichtsausdruck fand ich fast ebenso abscheulich wie den Gedanken, dass sie Stanton betrog. Und wenn sie es schon tat, hätte sie sich wenigstens dazu bekennen können.
In diesem Augenblick kam auch mein Vater herein. Er war barfuß, trug Jeans und T-Shirt, und sein Haar war noch feucht von der Dusche.
Was für ein Pech!
»Dad, das ist meine Freundin Megumi. Megumi, das ist mein Vater, Victor Reyes.«
Mein Vater ging zu ihr hin und schüttelte ihr die Hand. Meine Eltern hielten beträchtlichen Abstand zueinander, doch trotz dieser Vorsichtsmaßnahme war die knisternde Anziehungskraft zwischen ihnen
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