Erfuellung
trug es, als er starb«, sagte sie ausdruckslos. »Vielleicht als Souvenir.«
»Wofür?«
»Für die Ermordung Barkers.«
Ich starrte Graves an, die es eigentlich besser wusste. »Sie wollen andeuten, Yedemski könnte für Nathans Tod verantwortlich sein? Wer hat dann Yedemski getötet?«
Sie hielt meinem Blick stand und verstand offenbar, warum ich diese Frage stellte. »Er wurde vermutlich von seinen eigenen Leuten ermordet.«
»Sind Sie da sicher?« Ich musste unbedingt wissen, ob sie wussten, dass Gideon nichts damit zu tun hatte. Ja, er hatte für mich getötet – um mich zu schützen –, aber er würde nie töten, nur um einer Gefängnisstrafe zu entgehen.
Michna runzelte bei meiner Frage die Stirn. Es war Graves, die antwortete: »Es gibt keinen Zweifel. Wir konnten auf Überwachungsmaterial zurückgreifen. Einer seiner Kumpanen hat nicht allzu freundlich darauf reagiert, dass Yedemski mit seiner minderjährigen Tochter geschlafen hat.«
Hoffnung keimte in mir auf, gefolgt von eiskalter Angst. »Was passiert denn jetzt? Was bedeutet das?«
»Kennen Sie irgendjemanden, der Verbindung zur russischen Mafia hat?«, fragte Michna.
»O Gott, nein«, antwortete ich heftig. »Das ist … eine vollkommen andere Welt. Ich kann kaum glauben, dass Nathan Kontakt dazu hatte. Aber es ist ja auch schon Jahre her, dass ich mit ihm zu tun hatte …« Ich rieb mir die Brust, um das Gefühl der Beklemmung zu vertreiben, und sah Graves an. »Ich will das alles hinter mir lassen. Ich will, dass er mir nicht länger das Leben schwer macht. Geht das jetzt immer so weiter? Wird er mich auch nach seinem Tod noch verfolgen?«
Schnell und effizient sammelte sie die Fotos wieder ein, ihr Gesicht war teilnahmslos. »Wir haben alles getan, was wir konnten. Jetzt liegt es an Ihnen, welchen Weg Sie einschlagen.«
Ich tauchte um Viertel nach sechs im CrossTrainer auf. Ich ging nur hin, weil ich es Megumi versprochen hatte, und weil ich sie schon einmal versetzt hatte. Außerdem war ich unerträglich ruhelos und verspürte einen ungeheuren Bewegungsdrang, dem ich unbedingt nachgeben musste, bevor ich noch wahnsinnig wurde. Sobald die Detectives gegangen waren, hatte ich Gideon in einer SMS geschrieben, dass ich ihn später unbedingt sehen musste, aber als ich meine Sporttasche im Spind verstaute, hatte ich noch keine Antwort von ihm.
Wie alles, was Gideon gehörte, war auch CrossTrainer sehr beeindruckend, und zwar sowohl in puncto Größe als auch was die Ausstattung anging. Der Club – einer von Hunderten im ganzen Land – erstreckte sich über drei Etagen und hatte alles, was ein Fitnessenthusiast sich wünschen konnte, zudem ein reichhaltiges Wellnessangebot und eine Smoothie-Bar.
Megumi war leicht überwältigt und brauchte bei einigen der Hightechgeräte Hilfe, deshalb nutzte sie die Trainerstunde für neue Mitglieder und Gäste. Ich ging aufs Laufband. Nachdem ich mich mit einem strammen Marsch aufgewärmt hatte, fing ich schließlich an zu laufen. Sobald ich meinen Rhythmus gefunden hatte, ließ ich auch meinen Gedanken freien Lauf.
War es möglich, dass Gideon und ich endlich frei waren und die Scherben unseres Lebens aufsammeln und endlich nach vorn blicken konnten? Wie war das möglich? Und warum? In meinem Kopf überschlugen sich die Fragen, die ich Gideon unbedingt stellen musste – in der Hoffnung, dass er ebenso ahnungslos war wie ich.
Ich rannte, bis meine Oberschenkel und Waden brannten, bis mir der Schweiß in Strömen den Körper hinablief und meine Lungen von der Anstrengung des Atmens brannten.
Erst Megumi brachte mich schließlich dazu aufzuhören. Sie stellte sich vor das Laufband und winkte, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Ich bin ungeheuer beeindruckt. Du bist eine Maschine.«
Ich verlangsamte meinen Schritt und joggte weiter, dann ging ich noch ein paar Schritte, bevor ich ganz aufhörte. Ich nahm mein Handtuch und die Wasserflasche, trat vom Laufband und spürte jetzt schon die Wirkung eines zu langen, zu harten Trainings.
»Ich hasse Laufen«, bekannte ich immer noch keuchend. »Wie war denn dein Training?«
Megumi sah sogar in ihren Sportklamotten schick aus. Ihr hellgrünes Racerback-Tanktop hatte leuchtend blaue Streifen, die zu ihren Leggins passten. Das Ensemble war sommerlich hell und modisch.
Sie stupste mit ihrer Schulter gegen meine. »Neben dir fühle ich mich wie ein Versager. Ich habe gerade einmal die Runde gemacht und mir die heißen Typen hier angesehen. Die
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