Erhört: New Tales of Partholon 4 (German Edition)
ruhiger Sicherheit.
„Kannst du sie fühlen, El?“, fragte ihr Bruder.
„Die Krieger?“
Er nickte.
„Warte, ich bin mir nicht sicher.“ Sie stand still und neigte den Kopf, als würde sie versuchen, einer Stimme im Wind zu lauschen.
Im Zentrum stand eine geschwärzte Säule, die so dick war, dass Bruder und Schwester sie nicht mit beiden Armen umfassen konnten. Langsam trat Elphame an sie heran. Aus der Nähe sah sie, dass in die Säule ein feines Muster aus miteinander verschlungenen Knoten gemeißelt war, die wiederum Formen bildeten, in denen sie Vögel, Blumen und steigenden Pferde entdeckte. Selbst durchSchichten aus Ruß und Schmutz war die Schönheit der Handwerkskunst noch zu erkennen.
„Du musst ein umwerfender Anblick gewesen sein“, flüsterte Elphame der Säule zu.
Sofort pulsierte ein seltsames Vibrieren durch ihren Körper.
„Oh!“ Sie keuchte.
„Was ist los, El?“ Cuchulainn war mit zwei schnellen Schritten bei ihr, das Schwert fest in der starken Hand.
Sie schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. „Mach dir keine Sorgen, es ist nichts Schlimmes.“ Dann konzentrierte sie sich wieder auf die Säule. „Ich kann hier irgendetwas fühlen – hier, in diesem Stein.“
Während Elphame die Säule betrachtete, vermeinte sie, eine Empfindung zu verspüren. Die Anwesenheit einer lauschenden Präsenz. Daher kommt das Summen, dachte sie. Sie ignorierte die Unruhe und Wachsamkeit ihres Bruders und drückte die Hände an die von der Zeit gezeichnete Säule. In dem Moment, in dem sie den Stein berührte, durchlief die Säule ein Zittern. In stummer Ehrfurcht streichelte Elphame sie. Einen Moment lang schien der massive Stein unter ihren Handflächen flüssig zu werden, beinahe so, als wäre er unter ihrer Berührung formbar. Dann begannen ihre Hände und der Teil der Säule, den sie berührten, zu leuchten. Dieses Leuchten lief ihre Arme hinauf und umhüllte warm ihren gesamten Körper. Ein erstaunliches Gefühl erfüllte sie, als würde sie in ein Becken voller Emotionen getaucht oder sicher von den Armen ihrer Mutter umschlossen. Elphames Hände zitterten – nicht aus Angst, sondern weil es so schön war.
„Oh!“ Sie stieß den angehaltenen Atem aus. „Oh ja! Ich kann sie fühlen.“ Sie strahlte übers ganze Gesicht.
„Das sind nicht die Krieger, die du spürst, Göttin.“ Die tiefe Stimme erklang hinter ihnen und durchschnitt die Stille wie eine heiße Messerschneide den Schnee.
Cuchulainn wirbelte in atemberaubender Geschwindigkeit herum und stellte sich mit gezücktem Schwert zwischen seine Schwester und den Eindringling.
„Danann! Das ist eine gute Methode, um sicherzustellen, dass du nicht an Altersschwäche im Schlaf stirbst, Steinmeister.“ Cuchulainns Hand zitterte leicht, als er das Schwert wieder zurücksteckte,doch der alte Zentaur beachtete ihn kaum. Sein Blick war auf Elphame gerichtet und ihrer auf ihn.
„Wenn ich nicht die Seelen der Krieger spüre, was spüre ich dann?“, fragte sie.
Beim Klang von Dananns Stimme hatte Elphame den Kontakt mit der Säule abgebrochen, doch ihre Hände kribbelten immer noch von der Wärme des Steins. Sie wartete gespannt auf die Antwort des Steinmeisters. Ganz Partholon wusste, dass Epona ihn mit einer besonderen Verbundenheit zur Erde gesegnet hatte. Die Geister der Natur sprachen durch den Stein zu ihm. Deshalb hatte sie darum gebeten, der Steinmeister möge ihre Gruppe beim Wiederaufbau der Burg unterstützen, auch wenn er in seinem fortgeschrittenen Alter eher geneigt war, ein Nickerchen in der Sonne zu halten, als Tempelwände hochzuziehen. Doch trotz seines Alters war und blieb er der verehrteste Steinmeister in ganz Partholon. Er hörte die Geister in ihnen und war so in der Lage, den perfekten Stein für jedes Gebäude auszuwählen. Elphame konnte sicher sein, dass die unter der Führung des bekannten Steinmetzes erbaute neue Burg jahrhundertelang stehen würde.
Der energische Schritt, mit dem der Zentaur sich jetzt ihr und der Säule näherte, strafte sein Alter Lügen. Er musterte den Stein, ohne ihn zu berühren. Als er sprach, hatte seine Stimme einen verträumten Klang und schien von weither zu kommen.
„Das ist die große Zentralsäule der MacCallan-Burg. Einst war sie die Stütze des Gewölbes.“ Er lächelte. „Ihr spürt den Geist des Steines – das Herz der Burg, nicht die Geister verstorbener Soldaten.“ Vorsichtig hob er eine Hand und legte sie an die Säule. „Berührt sie noch einmal, Göttin.
Weitere Kostenlose Bücher