Erik der Wikinger
Kaltrücken gen Middalhof ritt – und bei dieser Gesellschaft war eine Frau, die einen purpurnen Mantel trug.
»Was mag dies wohl zu bedeuten haben?« fragte Erik.
»Reite weiter, und wir werden es erfahren«, gab Skallagrim zurück.
So ritten sie weiter, doch dabei wuchs in Eriks Brust die Furcht.
Nun hatten sie den aufgeschütteten Weg erreicht, der über die Weiden zum Haus führte, aber sie konnten niemanden sehen; und dann waren sie an der Tür. Erik saß ab und ging in die Halle.
Doch obwohl ein Feuer im Herd brannte, war niemand dort, um ihn zu begrüßen. Nur ein magerer Hund lief in der Halle umher und sprang knurrend auf ihn zu, als er ihn sah. Erik erkannte ihn als seinen alten Wolfshund und rief ihn beim Namen. Der Hund lauschte, kam dann herbeigelaufen, roch an seinen Händen, heulte vor Freude auf und sprang an ihm hoch. Eine Zeitlang sprang er so, während Erik sich verwundert und mit traurigem Herzen umschaute. Dann lief der Hund zur Tür und blieb dort winselnd stehen. Erik folgte ihm. Der Hund lief durch den Eingang und über den Hof, bis er zu einem Nebenhaus kam. Hier blieb der Hund stehen und scharrte, noch immer winselnd, an der Tür. Erik stieß sie auf. Und siehe da, dort vor ihm saß Saevuna, seine Mutter, tot in einem Stuhl, und zu ihren Füßen lag die Alte, die einst Eriks Amme gewesen war.
Erik umklammerte den Türpfosten, um nicht zu stürzen, und sein Schatten fiel auf das weiße Antlitz seiner Mutter und auf die Alte zu ihren Füßen.
XXIII
WIE ERIK GAST BEI DER HOCHZEITSFEIER
GUDRUDAS DER SCHÖNEN WAR
Erik starrte hinab, sagte jedoch nichts.
»Wer bist du?« winselte die Alte und blickte mit tränenblinden Augen zu ihm empor. Aber Eriks Gesicht lag im Schatten, und sie sah nur das Funkeln seines goldblonden Haars und das Aufblitzen des goldenen Helms, denn Erik konnte eine ganze Weile nicht sprechen.
»Bist du einer von Swanhilds Leuten und gekommen, um mich wie die anderen von hier zu vertreiben? Guter Herr, ich kann nicht in die Berge gehen, meine Glieder sind zu schwach. Töte mich, wenn du willst, aber vertreibe mich nicht von ihr.« Und sie deutete auf den Leichnam. »Sag nun, willst du mir nicht helfen, ihr ein Begräbnis zu geben? Es ist unziemlich, daß sie, die zu ihrer Zeit einen Mann, Güter und einen Sohn gehabt hat, unbegraben wie eine tote Kuh in den Bergen liegen soll. Ich habe einhundert Silberstücke, wenn ich an sie herankomme. Ich habe sie versteckt, Herr, und ich werde dich bezahlen, wenn du mir hilfst, sie zu begraben. Diese alten Hände sind zu schwach, um ein Grab auszuheben, und selbst, wenn es ausgehoben wäre, ich könnte sie nicht allein dorthin tragen. Du willst mir nicht helfen? Dann mögen die Knochen deiner eigenen Mutter unbegraben liegen und von Möwen und Raben abgepickt werden. Oh, würde Erik Hellauge doch nur nach Hause kommen! Oh, wäre Erik doch nur hier! Hier gibt es Arbeit und keinen Mann, der sie tut.«
Nun schluchzte Erik laut auf und rief: »Amme! Amme! Kennst du mich nicht? Ich bin Erik Hellauge.«
Sie stieß einen lauten Schrei aus, umfaßte ihn an den Knien und sah zu seinem Gesicht hoch.
»Odin sei gedankt! Du bist Erik – Erik ist nach Hause gekommen! Aber, o weh, du bist zu spät gekommen!«
»Was ist also geschehen?« fragte Erik.
»Was geschehen ist? Alles Böse. Du bist ein Geächteter, Erik, denn Swanhild hat geklagt, daß du Atli den Grafen getötet hast. Swanhild sitzt hier auf dem Kaltrücken, denn sie hat deine Ländereien in Besitz genommen. Saevuna, deine Mutter … Sie starb vor zwei Tagen in der Halle von Middalhof, wohin sie ging, um mit Gudruda zu sprechen.«
»Gudruda! Was ist mit Gudruda?« rief Erik.
»Heute, Hellauge, wird sie Ospakar Schwarzzahn heiraten!«
Erik schlug die Hände vors Gesicht. Schließlich sah er auf.
»Du bist reich an schlechten Nachrichten, Amme, aber arm an guten, wie es scheint. Sage mir, zu welcher Stunde das Hochzeitsfest stattfinden soll.«
»Eine Stunde nach Mittag, Erik; aber Swanhild ist mit ihrer Gesellschaft dorthin geritten.«
»Dann muß auf Middalhof für einen weiteren Gast Platz gefunden werden«, sagte Erik und lachte laut. »Fahre fort! Schütte deine schlechten Nachrichten aus und verschone mich nicht, denn nichts kann mich jetzt noch verletzen. Komm her, Skallagrim, und höre und sieh.«
Skallagrim kam und betrachtete das Gesicht der toten Saevuna.
»Ich bin aufgrund der Klage Swanhilds ein Geächteter, Lammschweif. Mein Leben liegt in deiner
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