Erik der Wikinger
hatte er auch nur wenige Freunde und Fürsprecher, und diese wenigen waren von geringer Bedeutung, während Ospakar, der Swanhilds Klage unterstützte, der mächtigste Häuptling aus dem Norden und Gizur der erfahrendste Gesetzesmann Islands war. Überdies war Björn der Priester, Asmunds Sohn, unter den Richtern, und obwohl ihm Swanhilds Geschichte nach dem, was er von Hall von Lithtal erfahren hatte, seltsam vorkam, brachte er Erik nur wenig Liebe entgegen. Er fürchtete, daß Gudrudas Liebe ihren Zorn überwinden konnte, würde Erik als freier Mann nach Island kommen, bevor sie mit Ospakar vermählt war, denn er sah sehr wohl, daß sie Hellauge noch liebte. Daher setzte er sich mit Kraft und Nachdruck dafür ein, den Schuldspruch über Erik zu fällen, und schließlich gelang es ihm.
So war das Ende der Verhandlung, daß Erik Hellauge zum Gesetzlosen, seine Ländereien für verfallen und sein Kopf zum Wolfskopf erklärt wurde, den jeder nehmen konnte, der dazu imstande war, sollte er noch einmal den Fuß auf Island setzen.
Als das Althing zu Ende war, ritten Björn, Gizur und Ospakar mit ihrer gesamten Begleitung zum Hochzeitsfest nach Middalhof. Aber Swanhild und ihre Leute stachen mit dem langen Kriegsschiff in See und nahmen Kurs auf die Westman-Inseln. Denn sie hatte vor, sich für eine Weile auf dem Kaltrücken niederzulassen, bis sie wußte, ob Erik nach Island kommen würde. Auch wollte sie der Hochzeit von Ospakar und Gudruda beiwohnen, denn Björn, ihr Halbbruder, hatte sie dazu eingeladen.
Nun kam Ospakar zum Middalhof, und Gudruda erwartete seine Ankunft.
Sie stand in der großen Halle, bleich und kalt wie Aprilschnee, und begrüßte ihn höflich. Aber als er sie küssen wollte, schreckte sie vor ihm zurück, denn er war nun noch schrecklicher als je zuvor anzuschauen, und tief im Herzen verabscheute sie ihn.
An diesem Abend gab es ein Fest in der Halle, und beim Fest hörte Gudruda, daß Erik zum Geächteten und Gesetzlosen erklärt worden war. Da sprach sie:
»Es ist eine schlechte Tat, einen Abwesenden zu verurteilen.«
»Sag, Gudruda«, flüsterte ihr Björn ins Ohr, »hast du Erik nicht auch in seiner Abwesenheit verurteilt?«
Sie wandte den Kopf ab und sprach nicht mehr von Erik; aber Björns Worte setzten sich wie Pfeile in ihrem Herzen fest. Die Geschichte kam ihr seltsam vor, denn es hatte den Anschein, als sei Erik auf Swanhilds Klage hin zum Geächteten erklärt worden, und dabei war Erik doch angeblich Swanhilds Geliebter. Swanhild selbst hatte Hellauges Haarlocke durch Hall überbringen und erklären lassen, er sei ihr Geliebter und würde sie bald heiraten. Wieso brachte Swanhild eine Klage gegen den vor, der bald ihr Gatte werden sollte? Überdies hatte sie gehört, daß Swanhild zum Kaltrücken gereist und zum Hochzeitsfest geladen worden war, das in drei Tagen stattfinden sollte. Konnte es sein, wenn alles gesagt und getan worden war, daß Erik doch nicht so treulos war, wie sie vermutete? Gudrudas Herz stand still, und das Blut schoß ihr ins Gesicht, als sie daran dachte. Doch selbst, wenn dem so sein sollte, nun war es zu spät. Und sicher war dem nicht so, denn war Erik nicht zum Geächteten erklärt worden? Man wurde nicht wegen einer Nichtigkeit zum Gesetzlosen gemacht. Nein, sie würde ihr Schicksal hinnehmen und nicht mehr nach Erik und seinen Taten fragen.
Als Gudruda am Morgen in ihrer Kammer saß, berichtete man ihr, daß Saevuna, Thorgrimurs Witwe, Eriks Mutter, vom Kaltrücken gekommen war, um mit ihr zu sprechen. Denn nach Asmunds und Unnas Tod war Saevuna zum Kaltrücken in die Marschen zurückgekehrt.
»Nein, wie kann das sein?« fragte Gudruda erstaunt, denn sie wußte nur zu gut, daß Saevuna mittlerweile sowohl blind als auch bettlägerig war.
»Man hat sie in einem Stuhl hergetragen«, sagte die Frau, die ihr die Nachricht überbracht hatte, »und dies war wirklich ein seltsamer Anblick.«
Zuerst wollte Gudruda den Wunsch abschlägig beantworten, doch dann erbarmte sich ihr Herz, und sie bat, Saevuna zu ihr zu bringen. Sie kam sofort, und ihr Stuhl wurde von vier Männern getragen. Sie sah schlecht aus, denn die Krankheit hatte sie altern lassen, und sie starrte mit blicklosen Augen um sich. Aber sie war noch groß und ungebeugt, und ihr Gesicht war streng. Es erinnerte Gudruda an das Eriks, wenn er wütend war.
»Bin ich Gudruda der Schönen, Asmunds Tochter, nahe?« fragte Saevuna. »Mich deucht, ich höre sie atmen.«
»Ich bin hier, Mutter«, sagte
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