Erik der Wikinger
sie am Meeresufer sang, Walhalla wäre heute nicht so voll. Erinnerst du dich noch an den Tag, als er sie mit sich brachte?«
»Ich erinnere mich noch gut daran«, gab die andere Frau zurück, »obwohl ich damals noch ein Mädchen war. Doch als ich ihre dunklen Augen sah – Augen, genau wie die Swanhilds –, erkannte ich sie als Hexe; denn alle finnischen Frauen sind Hexen. Die Welt ist schlecht. Mein Gatte ist durch das Schwert gestorben; tot sind auch meine beiden Söhne, die für Erik gekämpft haben; tot ist Unna, Thorods Tochter; Asmund, mein Herr, ist tot, und tot ist Björn; und nun verläßt uns Gudruda die Schöne, die ich in den Schlaf gewiegt habe, um übers Meer zu gehen. Meiner Tochter wegen kann ich nicht mit ihr gehen; doch fast wünschte ich mir, ich wäre tot.«
»Das wird bald genug kommen«, sagte die andere, die jung und hübsch war.
Nun wich der Hexenschlaf allmählich von Eriks Herz, obwohl er die Augen noch nicht öffnen konnte. Aber das Gespräch der Frauen hallte in seinen Ohren, und die Worte »Tot! Tot! Tot!« fielen schwer auf seine schlummernden Sinne. Schließlich öffnete er die Augen, nur um sie wieder zu schließen, da ein heller Lichterschein neben ihm an irgendeinem Gegenstand auf und ab lief. Benommen fragte er sich, welch Ding des sein könnte, das so hell und scharf leuchtete wie ein bloßes Schwert.
Dann öffnete er die Augen erneut. Ja, es war ein Schwert, das neben ihm im Bett stand, und das goldene Heft sah aus wie das von Weißfeuer. Er hob die Hand, um es zu berühren, und glaubte noch zu träumen. Und siehe da, seine Hand und sein Arm waren rot!
Da erinnerte er sich wieder, und der Gedanke an Gudruda durchzuckte sein Herz. Er setzte sich auf und blickte auf den Schatten an seiner Seite hinab.
Schließlich hörten die Frauen am Feuer ein Geräusch, als wäre ein großer Mann zu Boden gestürzt.
»Was war das für ein Lärm?« fragte die eine.
»Erik sprang aus dem Bett«, gab die andere zurück. »Er hat zu lange geschlafen, genau wie wir.«
Noch als sie sprachen, wurde der Vorhang vor dem abgeteilten Bett beiseite gezogen, und Erik wankte in seinem Unterkleid hinaus, und siehe da, seine linke Seite war rot. Die Augen hatte er vor Schrecken weit aufgerissen, den Mund geöffnet, und sein Gesicht war weiß wie Eis.
Er blieb stehen. Sah sie an. Wollte etwas sagen. Umsonst. Während die beiden Frauen ängstlich vor ihm zurückwichen, wandte er sich um und taumelte wie ein Betrunkener durch die Halle zu dem Gang, der zur Vorratskammer führte. Die Tür stand offen, und offen waren die Läden, und auf dem Boden lag Skallagrim schnarchend in einer Pfütze, die Axt in der einen und ein Trinkhorn in der anderen Hand.
Ein Blick und Erik begriff.
»Wach auf, du Trunkenbold?« rief er mit solch schrecklicher Stimme, daß der ganze Raum erzitterte. »Wach auf und sieh, was du angerichtet hast!«
Gähnend setzte sich Skallagrim auf.
»Fürwahr, mir dreht sich alles«, sagte er. »Gib mir Ale, ich bin durstig.«
»Wenn du gesehen hast, was ich dir jetzt zeigen muß, Skallagrim, wirst du das Ale nie mehr ansehen!« sagte Erik mit der gleichen schrecklichen Stimme.
Da erhob sich Skallagrim und starrte ihn an.
»Was hat das zu bedeuten, Herr? Ist es Zeit, loszureiten? Und sage, warum ist dein Hemd rot von Blut?«
»Folge mir, Trunkenbold, und sieh dir dein Werk an!« sagte Erik wieder.
Da wurde Skallagrim gänzlich nüchtern, und indem er seine Axt umklammerte, folgte er Hellauge, zutiefst besorgt, was er wohl sehen würde.
Sie passierten den Gang und eilten am Hohesitz der Halle vorbei, bis sie an den Vorhang des abgeteilten Bettes kamen; und die Frauen folgten ihnen. Erik ergriff den Vorhang, riß ihn aus der Halterung und warf ihn zu Boden. Nun floß das Licht hinein und fiel auf das Bett. Es fiel auf das Bett und auf Weißfeuers Heft, und es folgte der Klinge. Es erhellte die schneeweiße Brust und das goldblonde Haar einer Frau und glänzte auf ihren starrenden Augen. Sie lag kalt und steif auf dem Bett, und ihr Herz war von einem großen Schwert durchbohrt!
»Sieh dir an, was du angerichtet hat, Trunkenbold!« rief Erik, während die Frauen, die hinter ihnen standen, in ein großes Wehklagen ausbrachen, das laut widerhallte.
»Höre!« sagte Erik. »Während du dich in deinem Schweineschlaf gesuhlt hast, sind die Feinde über deinen Kadaver geschlichen, und dies ist ihr Werk. Die dort liegt, war einst meine Braut; jetzt ist Gudruda die Schöne tot! Dies ist
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