Erik der Wikinger
dein Werk, Trunkenbold! Und nun sag, was du dafür verdienst!«
Skallagrim sah auf die Tote hinab. Dann sagte er mit leiser, heiserer Stimme:
»Was ich dafür verdiene, Herr? Nur eins – den Tod!«
Dann schlug er sich eine Hand vor die Augen, und mit der anderen reichte er Erik die Axt.
Erik nahm sie, und während die Frauen schreiend von dannen stoben, wirbelte er sie dreimal durch die Luft. Dann holte er aus, um Skallagrims Schädel zu zerschmettern, doch plötzlich glaubte er zu hören, daß ihm eine Stimme ins Ohr flüsterte: »Dein Eid!« Und er erinnerte sich, daß er geschworen hatte, nicht mehr zu töten, außer, um sein eigenes Leben zu retten.
Die Axt senkte sich, und er konnte nur noch eins tun – sie loslassen, bevor sie Skallagrims Schädel spaltete. Er ließ los, und die große Axt flog davon. Sie rutschte über Skallagrims Kopf und fuhr wie der Blitz durch die langgezogene Halle, bis sie schließlich auf der anderen Seite die Wandverkleidung durchbrach und sich tief in die dahinterliegende Mauer grub.
»Es steht mir nicht an, dich zu töten, Trunkenbold! Geh und stirb an deiner Trunkenheit!«
»Dann werde ich mich selbst töten!« rief der Berserker, lief durch die Halle und riß die mächtige Axt aus der Wand.
»Halt!« sagte Erik. »Vielleicht mußt du noch eine Tat vollbringen. Danach kannst du sterben, wenn du willst.«
»Ay«, sagte Skallagrim und kam zurück. »Vielleicht muß ich wirklich noch eine Tat vollbringen!«
Und indem er die Axt fallen ließ, warf sich Skallagrim Lammschweif der Berserker zu Boden und weinte.
Aber Erik weinte nicht. Er zog lediglich Weißfeuer aus Gudrudas Herzen und betrachtete die Klinge.
»Du bist ein seltsames Schwert, Weißfeuer«, sagte er. »Du tötest Feind und Freund gleichermaßen! Schande über dich, Weißfeuer! Wir haben unseren Eid auf dich geleistet, Weißfeuer, und du hast seine Bande durchtrennt. Und nun werde ich dich dafür zerschmettern.« Und als Erik die große Klinge betrachtete, da summte sie seltsam zur Antwort.
»Zuerst mußt du noch jemanden töten, sagst du? Nun, vielleicht, Weißfeuer! Aber nie hast du von einem so süßen Leben getrunken wie von dem ihren, die nun tot vor uns liegt, und nie wieder wirst du von einem so süßen Leben trinken.«
Dann schob er das Schwert in die Scheide, wischte jedoch weder jetzt noch später Gudrudas Blut von seiner Klinge.
»Gestern abend das Hochzeitsfest, heute das Begräbnis«, sagte Erik und rief den Frauen zu, ihnen Spaten zu bringen. Nachdem er sich angekleidet hatte, ging er zum Mittelpunkt der Halle, fegte den Sand beiseite und brach den harten Lehmboden auf, indem er ihm mit einer Axt gewaltige Schläge versetzte. Dann kam Skallagrim, der erkannt hatte, was Hellauge beabsichtigte, und nahm einen Spaten, und gemeinsam arbeiteten sie schweigend, bis sie ein Grab von einem Klafter Tiefe ausgehoben hatten.
»Hier«, sagte Erik, »hier in deiner eigenen Halle, wo du geboren wurdest und lebtest, Gudruda die Schöne, wirst du nun auch zur Ruhe gebettet. Und vom Middalhof sage ich, daß von nun an niemand mehr auf ihm wohnen soll. Er wird verflucht sein, und es wird hier spuken, bis die Dachbalken verfaulen und die Wände einstürzen, um dein Hügelgrab zu bilden, Gudruda.«
Nun sollte es sich wirklich so zutragen, denn seit den Tagen Gudrudas der Schönen, Asmunds Tochter, hat niemand mehr auf dem Middalhof gelebt. Er lag viele Jahre lang in Trümmern und ist heute nur noch ein Steinhaufen.
Als das Grab ausgehoben war, wusch sich Erik und aß etwas. Dann ging er zur toten Gudruda und bat die Frauen, sie für das Begräbnis vorzubereiten. Dies taten sie. Als sie gewaschen und in eine saubere weiße Robe gekleidet war, kam Erik zu ihr, band ihr mit eigener Hand die Höllenschuhe an die Füße und drückte ihr die Augen zu.
Genau in diesem Augenblick kam ein Mann und berichtete, Gizurs und Swanhilds Leute hätten Gudrudas Schiff verbrannt und die Besatzung ans Ufer getrieben.
»Es ist gut«, sagte Erik. »Wir brauchen das Schiff nicht mehr; nun hat sie, die das Schiff fortbringen sollte, Schwingen, mit denen sie fliegen kann.« Dann ging er hinein und setzte sich neben Gudrudas Leiche auf das Bett, während sich Skallagrim auf den Boden hockte, sich den Bart raufte und vor sich hinmurmelte. Denn Skallagrims ungestümes Herz war von dem bösen Schicksal gebrochen, das seine Trunkenheit über sie gebracht hatte.
Den ganzen Tag saß Erik dort und betrachtete das Gesicht seiner toten
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