Erik der Wikinger
betrachtete die Runen und sagte: »Wahrlich, eine seltsame Schrift.«
»Was bedeutet sie, Haushälterin?« fragte Asmund. »Dies, Herr, wenn meine Kenntnisse mich nicht trügen: Weißfeuer ist mein Name – Zwergenvolk schmiedete mich – Odins Schwert war ich – Eriks Schwert war ich – Eriks Schwert werde ich sein – Und wo ich falle, dorthin muß er mir folgen.«
Nun schaute Gudruda Erik Hellauge fragend an, und Ospakar sah es und wurde sehr wütend.
»Schau nicht so, Mädchen«, sagte er, »denn es wird ein anderer Erik als dein junger Spund sein, der Weißfeuer hält, obwohl es gut sein könnte, daß dein Erik seine Schneide fühlen wird.«
Nun biß sich Gudruda auf die Lippen, und Erik errötete bis zu den Augenbrauen und sprach:
»Es ist nicht gut, Herr, wie eine zornige Frau Spott auszustreuen. Du bist groß und stark, und doch könnte ich es wagen, dich herauszufordern.«
»Friede, Junge! Du kannst einen Wasserfall geschickt besteigen, dies bestreite ich nicht; aber sei auf der Hut, bevor du es darauf ankommen läßt, deine Kräfte mit den meinen zu messen. Sage nun, welchen Kampf willst du mit Ospakar ausfechten?«
»Ich werde mit dir auf den Holmgang gehen, im Harnisch oder ohne Rüstung, und mit der Axt oder dem Schwert gegen dich kämpfen, oder ich werde mit dir ringen, und Weißfeuer dort soll der Preis des Siegers sein.«
»Nein, ich werde kein Blutvergießen hier auf Middalhof dulden«, sagte Asmund streng. »Kämpft mit den Fäusten, oder ringt, wenn ihr wollt, denn solche Belustigungen lassen wir uns gern gefallen; aber es werden keine Waffen gezogen.«
Nun wurde Ospakar rasend vor Zorn und Trunkenheit – und er grinste wie ein Hund, bis die Männer den roten Gaumen hinter seinen Lippen sahen.
»Du willst mit mir ringen, Jüngling – mit mir, den noch kein Mann auch nur von den Füßen gehoben hat? Gut! Ich werde dich aufs Gesicht legen und auspeitschen, und Weißfeuer wird der Preis sein – ich schwöre es beim heiligen Altarring; aber was hast du gegen das kostbare Schwert zu setzen? Deine elende Hütte und das bißchen Land sind viel zu wenig.«
»Ich setze mein Leben darauf«, sagte Erik. »Wenn ich Weißfeuer verliere, soll Weißfeuer mich töten.«
»Nein, das will ich nicht, und ich bin Herr in diesem Tempel hier«, sagte Asmund. »Denke dir einen anderen Preis aus, Ospakar, oder lasse ab von diesem Kampf.«
Nun grub Ospakar den schwarzen Fangzahn in seine Lippe und dachte nach. Dann lachte er laut und sprach:
»Hell ist Weißfeuer, und du trägst den Namen Hellauge. Nun siehe: Ich setze das große Schwert gegen dein rechtes Auge, und wenn ich den Kampf gewinne, werde ich es selbst herausreißen. Willst du diesen Kampf mit mir kämpfen? Wenn dein Herz dich im Stich läßt, laß es bleiben; aber ich werde keinen anderen Preis gegen mein gutes Schwert akzeptieren.«
»Augen und Glieder sind der Reichtum des armen Mannes«, sagte Erik. »So sei es. Ich setze mein rechtes Auge gegen das Schwert Weißfeuer, und wir werden den Kampf morgen ausfechten.«
»Und morgen wirst du Erik Einauge genannt werden«, sagte Ospakar – woraufhin einige seiner Knechte lachten.
Aber die meisten Männer lachten nicht, denn sie hielten dies für einen unseligen Kampf und einen schlechten Scherz.
Nun ging das Fest weiter, und Asmund erhob sich von seinem Hohesitz in der Mitte des Hauptschiffs, sah zur linken Hand auf den Altar hinab und sprach die heiligen Trinksprüche. Zuerst tranken die Männer ein volles Horn auf Odin und baten um den Sieg über ihre Feinde. Dann tranken sie auf Freyr und baten um Reichtum; auf Thor, um Stärke im Kampf; auf Freyja, Göttin der Liebe (und auf sie trank Erik besonders herzlich); zum Andenken an die Toten; und zuletzt auf Bragi, den Gott aller Freuden. Als dieser Becher getrunken war, erhob sich Asmund und erkundigte sich, den Sitten entsprechend, ob niemand einen Eid schwören wolle, eine Tat zu begehen, die getan werden müsse.
Eine Weile kam keine Antwort, aber dann erhob sich Erik Hellauge.
»Herr«, sagte er, »ich möchte einen Eid schwören.«
»Dann ergreife in dieser Sache das Wort«, sagte Asmund.
»Es ist dies«, sprach Erik. »Auf dem Moosberg, drüben beim Hekla, lebt ein Berserker, über den niemand etwas Gutes zu sagen weiß, denn es gibt nur wenige, denen er keinen Schaden zugefügt hat. Sein Name ist Skallagrim; er ist ein mächtiger Mann und hat viel Unglück über die südlichen Lande gebracht. Er hat viele Männer getötet
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