Erik der Wikinger
Begleite mich also, und sei mein Mann.«
»Ich muß dorthin folgen, wohin die Nornen mich führen«, sagte Erik und setzte sich zum Fleischmahl nieder. Skallagrim setzte sich ebenfalls auf die Querbank; aber die Männer schreckten vor ihm zurück, und er bedachte sie daraufhin mit düsteren Blicken.
Schließlich trat Gudruda ein, und sie wirkte bleich und schwach.
Als Erik gegessen hatte, zog er Gudruda auf seine Knie, und sie setzte sich und legte ihren blonden Kopf auf seine Brust. Aber Swanhild kam nicht in die Halle, obwohl Atli ständig ihr dunkles Gesicht und ihre schönen blauen Augen suchte, und er fragte sich besorgt, ob sein Werben vergeblich gewesen war. Doch für den Augenblick erwähnte er Asmund gegenüber nichts davon.
Nun trank Skallagrim viel Ale und warf mit wilden Blicken um sich; denn er hatte die Schwäche, sich mitunter zu betrinken. Vor ihm saßen zwei Knechte Asmunds; es waren Brüder, beide hochgewachsene Männer, die Asmunds Schafe auf den Winterweiden hüteten. Diese beiden waren auch betrunken, und sie verhöhnten Skallagrim, indem sie ihn fragten, welche Sühne er für die Mutterschafe tun wolle, die er beim letzten Julfest gestohlen habe, und wie es geschehen sei, daß er, ein Berserker, von einem Unbewaffneten besiegt worden sei.
Skallagrim ertrug ihre Sticheleien für eine Weile, während er weitertrank, doch dann sprang er plötzlich auf und stürmte auf sie zu, und indem er beide mit je einer Hand an der Kehle faßte, stieß er sie zu Boden und hätte sie beinahe erwürgt.
Da eilte Erik durch die Halle auf ihn zu und riß den Berserker mit aller Kraft von den beiden Männern zurück.
»Das ist also deine Friedfertigkeit, du Wolf!« rief Erik. »Du bist betrunken!«
»Ay«, grollte Skallagrim, »das Ale ist das Verderben vieler Männer.«
»Dann achte darauf, daß es nicht zu dem deinen und meinen gerät!« sagte Erik. »Leg dich schlafen; und wisse, wenn ich dich noch einmal so sehe, sehe ich dich nie wieder an.«
Aber danach verspotteten die Männer Skallagrim Lammschweif, Eriks Leibeigenen, nicht mehr.
XI
WIE SWANHILD SICH VON ERIK VERABSCHIEDETE
Nun geschah all dies, während Asmund tief in Gedanken versunken dasaß; aber als die Männer schließlich in den Schlaf fielen, nahm er sich eine Kerze aus Talg und ging zu dem einzelnen Bett, in dem Swanhild allein schlief. Sie lag auf dem Bett, und ihre Haarlocken fielen über ihren Körper. Sie war wach, denn das Licht leuchtete in ihren blauen Augen und auf einer bloßen Klinge, die daneben auf dem Bett lag, halb verborgen von ihrem Haar.
»Was willst du, Stiefvater?« fragte sie und erhob sich auf der Liege. Asmund zog die Vorhänge zu, sah sie streng an und sagte leise: »Du bist schön für ein so verwerfliches Ding, Swanhild, denn wer hätte sich schon träumen lassen, daß dein Herz mit Kobolden und Werwölfen sprechen kann – daß deine Augen es ertragen können, einen Mord zu sehen und diese weißen Hände die Kraft haben, eine Sünde zu begehen?«
Sie hob ihre wohlgeformten Arme, betrachtete sie und lachte. »Ich wünschte nur, sie wären stärker«, sagte sie. »Mögen sie verrotten in ihrer Frauenschwäche! Sonst wäre die Tat vollendet worden. So aber lastet mein Verbrechen schwer auf mir, und nichts wurde erreicht. Sag, welch Schicksal mich erwartet, Stiefvater. Der Stein des Verderbens und der See, in dem die treulosen Frauen liegen? – Ah, dann hat Gudruda wahrlich Grund zum Lachen, denn ich lebe nicht mehr, um ihr Gelächter zu hören. Siehst du« – und sie ergriff den Dolch, der an ihrer Seite lag – »an dieser scharfen Kante verläuft der Weg zu Frieden und Freiheit, und wenn es nötig ist, beschreite ich ihn auch.«
»Schweig«, sagte Asmund. »Gudruda, meine Tochter, die du auf verderbte Weise zu Tode bringen wolltest, ist deine eigene Schwester, und sie ist es auch, die Mitleid mit dir hat und um dein Leben bittet.«
»Ich, die ich kein Mitleid habe, will nichts von ihrem Mitleid«, gab Swanhild zurück. »Und dies sage ich dir, der du mein Vater bist: Schande über dich, der du es nicht gewagt hast, dich zu deinem Kind zu bekennen.«
»Wärst du nicht mein Kind gewesen, Swanhild, und hätte ich dich nicht insgeheim als mein Kind geliebt, dies sei dir gewiß: ich hätte dich schon längst fortgejagt, denn meine Augen haben vieles gesehen, wenn sie auch geschlossen wirkten. Aber nun hat deine Bösartigkeit meine Liebe besiegt, und ich will dein Gesicht nicht mehr sehen. Hör zu:
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