Erik der Wikinger
Keiner außer denen, die sie gesehen haben, hat von deiner schändlichen Tat gehört – und deren Zungen sind versiegelt. Nun stelle ich dich vor die Wahl: Heirate Atli und geh, oder stehe im Ring des Verderbens und nimm dein Schicksal an.«
»Habe ich dir nicht gesagt, Vater, daß ich das letztere niemals tun werde, wiewohl mich der Tod auf andere Art ereilen kann? Noch werde ich das erste tun. Ich bin nicht von der zahmen Art wie ihr Isländer – fremdes und wilderes Blut fließt in meinen Adern. Nie werde ich mich an einen kindischen Greis in die Ehe verkaufen lassen wie eine Schindmähre auf dem Markt. Das war meine Antwort.«
»Närrin! Überlege noch einmal, denn ich nehme mein Wort nicht zurück. Heirate Atli oder stirb – durch eigene Hand, wenn du willst, das werde ich dir nicht verwehren. Doch wenn du dies fürchtest, hinein in den Ring des Verderbens.«
Dann schlug Swanhild die Hände vor die Augen und schüttelte sich das lange Haar aus dem Gesicht, und Asmund dem Priester, der ihr zusah, kam sie dabei wunderschön vor. Und als sie so dasaß, kam ihr in den Sinn, daß die Ehe für ein junges Mädchen nicht das Ende des Lebens war – daß alte Ehemänner auch einmal sterben würden und daß sie Atli und seine Grafschaft beherrschen und eine reiche und angesehene Frau werden konnte, wenn sie die Segel so setzte, daß der Wind sie füllte, wenn er aufkam. Oder aber, sie mußte sterben – ay, in Schande sterben. Und Gudruda mit ihrem Liebsten zurücklassen.
Plötzlich schlüpfte sie vom Bett auf den Boden der Kammer, umfaßte Asmunds Knie und blickte durch das Gewirr ihres Haars auf, während die Tränen nur so aus ihren wunderschönen Augen strömten:
»Ich habe gesündigt«, schluchzte sie, »ich habe schwer gegen dich und meine Schwester gesündigt. Höre: Ich war toll vor Liebe zu Erik, dem ich von Kind an zugeneigt war, und Gudruda ist schöner als ich, und sie hat ihn mir weggenommen. Am tollsten war ich in dieser Nacht, als ich die schändliche Tat beging, denn ich bekam einen bösen Rat – einen Rat, um den ich nicht gebeten hatte. Und ich danke den Göttern – falls es sie gibt –, daß Gudruda nicht durch meine Hand gestorben ist. Nun sieh, Vater, ich weise das Böse von mir und reiße Erik aus meinem Herzen.« Und sie machte eine Bewegung, als würde sie sich die Brust aufreißen. »Ich werde Atli heiraten und ihm eine gute Frau sein, und ich erbitte nur eins von Gudruda: daß sie mir vergibt, was ich ihr antun wollte, denn es geschah nicht aus freiem Willen, sondern im Wahn und auf Verlangen derer, die zu kennen meine Mutter mich gelehrt hat.«
Asmund hörte ihr zu, und die Quelle seiner Liebe taute in ihm auf. »Nun hast du einen guten Rat angenommen«, sagte er, »und sei dir gewiß, solange du dich auf diese Weise verhältst, wird niemand dir ein Leid tun. Und was Gudruda betrifft, so ist sie die sanfteste aller Frauen, und es ist sehr gut möglich, daß sie dir deine Sünde vergibt. So weine nicht mehr, und gib dich nicht mehr mit der finnischen Hexerei ab. Schlaf ein, und morgen werde ich Atli dein Wort überbringen, denn sein Schiff ist zum Auslaufen bereit, und du mußt schnell unter die Haube.«
Er ging hinaus und nahm die Kerze mit, doch Swanhild erhob sich vom Boden und setzte sich auf die Bettkante. Sie starrte in die Dunkelheit und erschauerte von Zeit zu Zeit.
»Ich, die ich nur eines Mannes Weib sein wollte, werde bald zu Atlis Weib gemacht«, murmelte sie, »und mich deucht, ich werde schon bald eine Witwe sein. Du wolltest mich haben, närrischer Greis – nun nimm mich und dein Schicksal! Gut, gut. Es ist besser, einen Grafen zu heiraten als in Schande verstoßen und über dem Stein des Verderbens gestreckt zu werden. Oh, ihr schwachen Arme, die ihr mich in meiner Not verlassen habt, nie mehr werde ich Vertrauen in euch setzen! Wenn ich das nächste Mal jemanden verletze, wird es mit der Zunge sein, und wenn ich beabsichtige, jemanden zu töten, wird es durch eine andere Hand geschehen. Sei verflucht, du schlechter Ratgeber der Dunkelheit, der du mich schlußendlich betrogen hast! Habe ich dich dafür angebetet und dir den Eid geschworen?«
Der Morgen kam, und beim ersten Licht suchte Asmund den Grafen auf. Sein Herz war schwer wegen des Betrugs, den seine Zunge verüben mußte, und sein Gesicht war so düster wie die Winterdämmerung.
»Welche Neuigkeiten bringst du, Asmund?« fragte Atli. »Frühe Neuigkeiten sind schlechte Neuigkeiten, so lautet das
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