Erik der Wikinger
sie waren fünfzig an der Zahl, und man sagt, daß nie zuvor und nie danach eine solche Schar je ein Schiff von Island genommen habe.
Nun war der große Drache bereit zum Auslaufen, und alle Vorräte befanden sich an Bord, denn Erik mußte am Morgen segeln, wenn er die guten Winde nutzen wollte. Den ganzen Tag schritt er unter seinen Männern auf und ab; er wollte nichts den anderen überlassen, und es gab kein Schwert oder Schild, das er nicht persönlich begutachtet hatte. Den ganzen Tag ging er umher, und Skallagrim Lammschweif folgte ihm, die Axt auf der Schulter, denn er wollte Erik nicht aus den Augen lassen, wenn es nach seinem Willen ging. Und die beiden waren ein mächtiges Paar.
Schließlich war alles fertig, und die Männer setzten sich in der Halle von Middalhof zum Schmausfest nieder, und dies war ein großes Fest. Eriks Männer drängten sich auf den Seitenbänken, und neben dem Thron zu Asmunds Seite saß Hellauge. Neben diesem saßen Björn, Asmunds Sohn, Gudruda, Unna, Asmunds Verlobte, und Saevuna, Eriks Mutter. Denn Asmund und Erik hatten ausgemacht, daß Saevuna, die nun allmählich ins Alter kam, den Kaltrücken verlassen und mit Unna zum Middalhof ziehen sollte. Aber Erik setzte einen vertrauenswürdigen Gutsverwalter ein, der den Hof auf dem Kaltrücken in Ordnung halten würde.
Als man die Fahrtsprüche ausgebracht und dazu getrunken hatte, sprach Erik mit Asmund und sagte: »Ich fürchte nur eins, Herr – wenn ich fort bin, wird Ospakar dir Scherereien bereiten. Ich bitte euch alle, euch vor Schwarzzahn in acht zu nehmen, denn auch ein geprügelter Hund kann noch beißen, und es scheint, er hat Gudruda noch nicht aus seinen Gedanken gestrichen.« Nun hatte Björn bislang schweigend dagesessen; er hatte viel gegrübelt und noch mehr getrunken, denn als er an diesem Tag sah, daß alle Männer Erik ehrten und sein Fortgehen betrauerten, und sein Vater nicht am wenigsten, mochte er Hellauge weniger als je zuvor.
»Mich deucht, du bist es, den Ospakar haßt, Erik«, sagte er, »und an dir will er auch Rache nehmen, und dies aus keinem leichten Grund.«
»Wenn das Unglück im Haus deines Nachbarn sitzt, klopft es auch an deine Tür, Björn. Gudruda, deine Schwester, ist meine Verlobte, und du bist ein Teil dieser Fehde«, sagte Erik. »Daher stünde es dir besser, ihre und deine Ehre gegen diesen Nordländer zu verteidigen, als mich für etwas zu verhöhnen, an dem ich keine Schuld trage.«
Björn wurde bei diesen Worten zornig. »Sprich nicht so mit mir«, sagte er. »Du bist ein Emporkömmling, der Höherstehende über ihre Pflichten belehren will – ay, von leicht gewonnenem Ruhm hinaufgeblasen wie eine Feder vom Wind. Aber ich sage dir, dieser Wind wird nachlassen, und du wirst wieder auf den Hintern fallen. Und ich sage dir auch, wenn es nach meinem Willen ginge, würde Gudruda Ospakar heiraten, denn er ist ein mächtiger Häuptling und kein langbeiniger Bursche, der wegen Totschlags in die Verbannung muß.«
Nun sprang Erik von seinem Sitz und legte die Hand auf Weißfeuers Griff, während die Männer in der Halle murrten, denn sie hielten diese Worte Björns für schlecht.
»In dir, so scheint es, habe ich keinen Freund«, sagte Erik, »und wärst du nicht Gudrudas Bruder, würdest du die richtige Antwort auf deine spöttischen Worte bekommen. Aber ich sage dir, Björn, und da kannst du zweimal ihr Bruder sein: Solltest du mit Ospakar Pläne schmieden, während ich fort bin, so wirst du teuer dafür bezahlen, wenn ich zurückkomme. Ich weiß genau, was in deinem Herzen vor sich geht: Es ist listig und giert nach Gewinn, und es ist so voll von Neid wie ein Faß mit Ale; aber wenn du es auch weiterhin in deiner Brust schlagen hören möchtest, so versuche nicht, mir zu schaden und mir Gudruda zu nehmen.«
Nun sprang auch Björn auf und zog sein Schwert, denn er war bleich vor Zorn. Doch sein Vater Asmund rief: »Friede!«
»Friede!« sagte er. »Nimm Platz, Erik, und achte nicht auf dieses närrische Gerede. Und was dich betrifft, Björn, bist du der Priester von Middalhof und Gudrudas Vater, oder bin ich es? Es hat mir gefallen, Hellauge mit Gudruda zu verloben, und es hat mir nicht gefallen, sie mit Ospakar zu verloben, und das reicht für dich. Und was die andere Sache betrifft, so hätte Ospakar Erik erschlagen, er aber nicht Ospakar, und so sind Eriks Hände sauber. Obwohl du mein Sohn bist, sage ich dir: Fügst du Erik Schaden zu, während er auf See ist, wirst du mit Recht
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