Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
sei der Name eines berühmten portugiesischen Generals, der sich, was List und Kühnheit betraf, mit Bonaparte messen könne. Hanna wusste nicht, wer Bonaparte war, ebenso wenig wie sie wusste, dass die Lagune einen so merkwürdigen Namen trug.
Aber hatte sie wirklich richtig gehört? Die Lagune des guten Todes? Hatte Felicia die in der Sonne glitzernde Bucht nur für sich so genannt?
»Warum heißt die Lagune so?«
»Weil es ein schöner Name ist? Ich denke mir, dass das blaue Wasser, in dem Delphine schwimmen, ein Friedhof ist für Menschen, die einem guten Tod begegnen. Worauf wir doch alle hoffen.«
»Was ist ein guter Tod?«
Felicia sah sie verwundert an. Hanna dachte, Felicia habe einen ganz besonderen Gesichtsausdruck, wenn sie sich über eine Frage wunderte, die nur ein weißer Mensch stellen konnte.
»Jeder malt sich seinen Tod aus«, sagte Felicia. »Hast du mir nicht erzählt, dass dein erster Mann, der Steuermann war und einen Namen hatte, den ich nicht aussprechen kann, sein Grab im Meer gefunden hat?«
»Sein Tod war aber keinesfalls gut«, sagte Hanna. »Er wollte nicht sterben.«
»Wenn der Tod kommt, werde ich keinen Widerstand leisten«, sagte Felicia. »Falls es nicht jemand ist, der mich ermorden will. Ich will in Ruhe sterben. Der gute Tod ist niemals aufgeregt.«
Hanna wusste nicht, was sie über Lundmarks Tod oder ihre eigenen unruhigen Vorstellungen von ihrer letzten Stunde sagen sollte. Sie gab Felicia das Geld, das sie verlangte. Ein paar Tage später tauchte sie überraschend auf, nachdem Attimilio das Haus morgens verlassen hatte. Eingewickelt in ein Stück Stoff, das sie mit Respekt und vielleicht auch Furcht behandelte, lag ein grünes, fast funkelndes Pulver. Es roch stark nach Teer, ein Geruch, an den Hanna sich von den Schiffen im Hafen von Sundsvall erinnerte.
»Du musst das Pulver in ein Getränk mischen, das Senhor Vaz zu sich nimmt, bevor er sich schlafen legt.«
»Er trinkt abends nichts. Er möchte nachts nicht von seiner Blase geweckt werden.«
»Isst er auch nichts?«
»Eine Mango.«
»Dann musst du die Frucht vorsichtig öffnen, das Pulver hineinpressen und dann die Schale wieder verschließen.«
Hanna rief Anaka und bat sie, eine Mango zu bringen. Zusammen führten sie dann das Experiment durch und sahen, dass es möglich war, alle Spuren zu verwischen.
»Ist das alles?«, fragte Hanna.
»Auf deinen eigenen Unterleib sollst du etwas Zitrone träufeln. Dann bist du bereit, ihn zu empfangen.«
Hanna errötete, als Felicia von der Zitrone sprach. Felicias Fähigkeit, ganz natürlich über das zu sprechen, was für Hanna immer noch zum Unaussprechlichen gehörte, trieb ihr die Röte ins Gesicht.
»Das ist alles«, sagte Felicia. »Die feticheira , mit der ich gesprochen habe, hat viele Männer von ihrer Impotenz geheilt. Sie kommen von weit her zu ihr. Einige sind sogar den ganzen Weg von Indien hierhergesegelt, um wieder zu lebenstauglichen Männern zu werden. Sie hat jedoch auch gesagt, dass es nicht bei allen wirkt, aber in dem Fall gibt es andere, stärkere Arzneien, um die Triebe wieder zum Leben zu erwecken.«
Da abnehmender Mond war, musste Hanna warten. Attimilio versuchte einige weitere Male, die Ehe zu vollziehen, scheiterte aber. Wenn er sich resigniert auf die Seite gedreht hatte, strich ihm Hanna behutsam über die schwarzen Haare, die immer Pomadenflecke auf dem Kopfkissenbezug hinterließen. Ich liebe ihn wohl nicht, dachte Hanna. Aber ich empfinde Zärtlichkeit für ihn. Er will mir wohl. Zu einem Lundmark in meinem Bett wird er nie werden. Aber vielleicht kann er mit Hilfe von Felicia wieder ein Mann werden.
43
Als es Vollmond wurde, hatte die Stadt eine Periode von starken Stürmen durchlitten. Carlos war erneut ausgerissen, aber zurückgekommen, genauso geheimnisvoll, diesmal mit einem roten Band um den Hals. Senhor Vaz fragte sich, ob es besser sei, Carlos anzuketten. Aber da machten die Frauen einen Aufstand, und er ließ den Gedanken fallen. Carlos übernahm wieder seine Rolle als Kellner und zündete gegen Bezahlung in Gestalt einer Banane oder eines Apfels die Zigarren der eingetroffenen Kunden an. Aber Felicia meinte, Carlos habe einen anderen Funken in seinen Augen. Etwas war im Begriff, mit ihm zu geschehen.
Der Vollmond kam, die Stürme waren abgezogen, und Senhor Vaz kehrte nach einem langen Tag im Bordell wieder heim. Hanna hatte die Mango präpariert und saß neben ihm, während er die Frucht nachdenklich am Tisch im
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