Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
und Felicia fragte, erfuhr sie, dass dieses Missgeschick nicht ganz ungewöhnlich war. Früh genug würde Senhor Vaz bestimmt zeigen können, dass auch er die Kraft hatte, auf die sich sein ganzes Unternehmen gründete. Es gab nur eine wirkliche Gefahr für ein Bordell, und zwar die, dass alle Männer plötzlich impotent würden.
Hanna verstand nicht alles, was Felicia sagte. Aber sie begriff, dass sie an dem, was geschehen war, keine Schuld hatte.
Ein paar Tage darauf zogen sie in das Steinhaus ein, das nun möbliert war. Es gab ein schön glänzendes Klavier in einem Zimmer, und überall duftete es nach Mimosen und Kräutern. Ein paar Wochen nach der Hochzeit, als Hanna mit dem Dienstmädchen allein war, schlug sie einen Ton auf dem Klavier an und ließ ihn ausklingen.
Es war, als könnte sie in den Schatten des Zimmers die Menschen sehen, die sie hinter sich gelassen hatte. Jonathan Forsman, Berta, Elin, die Geschwister und den Steuermann, dessen Seebestattung sie vor einem halben Jahr hatte erleben müssen.
Doch ihre Reaktion war weder Wehmut noch Sehnsucht. Ein kalter Hauch des Entsetzens zog vorüber. Er kam aus dem Nichts, als der Ton verklungen war. Was hatte sie getan? Warum hatte sie sich an einen Mann gebunden, den sie kaum kannte?
Aber sie zwang sich auch zu denken: Ich kann nicht umkehren.
Ich bin hier. Und nirgendwo anders.
41
Jeden Morgen ging sie auf die Terrasse hinaus, die einen Teil des Obergeschosses einnahm. Von dort aus blickte sie auf die Stadt hinunter, auf die Häuser, die an den Hängen hochkletterten, auf den Hafen mit seinen Kränen, die im Sonnendunst glühten, und auf das blaue Meer, auf dem die Schiffe auf die Flut warteten. Sie hatte ein noch stärkeres Fernglas gekauft, und Senhor Vaz ließ ein Stativ bauen, auf dem das Fernglas befestigt wurde.
Sie hielt weiterhin nach den Schiffen Ausschau. Aber jetzt hoffte sie nicht mehr, eines Tages ein Schiff unter schwedischer Flagge zu entdecken. Jetzt war es umgekehrt. Jeden Morgen fürchtete sie, es würde ein Schiff dort liegen, das sie nach Hause bringen könnte. Denn jetzt war es zu spät.
Attimilio verließ das Haus jeden Morgen um acht. Er bestieg einen von Pferden gezogenen Wagen, der ihn zum Hafenviertel brachte. Mittags kehrte er wieder heim, sie aßen miteinander, und dann hielt er einen Mittagsschlaf, ehe er zu den Frauen zurückkehrte.
Hannas Leben als wiederverheiratete Frau unterschied sich in einem entscheidenden Punkt von der Zeit ihrer ersten Ehe: Sie war fast immer allein. Lundmark war an Bord von Kapitän Svartmans Schiff stets in ihrer Nähe gewesen. Ihr neuer Mann behandelte sie mit großem Respekt und gleichbleibend freundlich, war aber selten daheim. Er aß und er schlief, und in den Nächten fuhr er mit seinen scheiternden Versuchen fort, das zu verwirklichen, wonach sich jetzt auch Hanna tatsächlich zu sehnen begann. Aber darüber hinaus teilten sie fast nichts. Manchmal versuchte sie, Fragen nach seinem früheren Leben zu stellen. Doch er antwortete ausweichend oder überhaupt nicht. Er brauste nicht auf, er wollte ganz einfach nichts erzählen. Hanna dachte, es sei, als hätte sie einen Mann ohne Vergangenheit geheiratet.
Später würde Hanna an diese Zeit als an die Zeit der Untätigkeit zurückdenken. Es gab kaum Aufgaben für sie, keine Pflichten, die erledigt werden mussten. Um den Garten kümmerte sich ein alter Mann, der stocktaub war. Er hieß Rumigo und hatte einen seiner unzähligen Söhne zur Hilfe. Hanna stand manchmal da und sah zu, wie er mit behutsamen Händen die Blumen, Bäume und Büsche behandelte. Drinnen im Haus gab es Anaka, die bereits bei Attimilios Eltern gedient hatte. Sie begann alt zu werden, arbeitete aber hart und schien nie zu schlafen. Sie wohnte allein in einem kleinen Schuppen an der Rückseite des Hauses. Dort sah Hanna sie manchmal sitzen und ihre Pfeife rauchen, ehe sie sich zur Ruhe begab. Schon um vier Uhr morgens stand Anaka wieder auf, und um sechs servierte sie ihnen das Frühstück.
Als Hanna sie ansprach, fiel sie sofort vor ihr auf die Knie. Attimilio hatte Hanna erklärt, dies sei kein Zeichen der Unterwürfigkeit und Ergebenheit, sondern eher eine Tradition, eine Art, Respekt zu erweisen. Hanna hatte Mühe, diese Kniefälle zu ertragen, und versuchte, Anaka davon abzubringen. Doch es gelang ihr nicht. Als Attimilio ihr erklärte, Anaka würde das auch bei einem schwarzen Mann tun, der über ihr stand, gab sie auf. Die Kniefälle wurden fortgesetzt.
Es
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