Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Esszimmer verzehrte. Im Bad träufelte Hanna Zitrone auf ihren Unterleib und legte sich dann neben ihn ins Bett. Als er auf dem Weg schien einzuschlafen, strich sie behutsam mit einer Hand über seinen Arm. Nach ein paar Augenblicken wandte er sich ihr zu. Mit derselben irrsinnigen Angriffslust wie früher versuchte er, in sie einzudringen. Aber auch diesmal gelang es ihm nicht, obwohl Hanna spürte, dass er sich länger und kraftvoller anstrengte.
Als er aufgab, waren beide erschöpft. Hanna stellte sich vor, dass sie Felicia schon am folgenden Tag beauftragen würde, die stärkere Arznei zu besorgen, um Attimilio aus seinem Elend herauszuhelfen.
Sie hörte, dass er einschlief, wie immer etwas kurzatmig, als hätte er eigentlich keine Zeit zum Schlafen.
Als sie morgens aufwachte, war er tot. Er lag neben ihr, weiß und bereits kalt. Gleich als sie die Augen aufschlug, kurz bevor Anaka das Frühstück bringen würde, wusste sie, dass etwas geschehen war. Selten lag er noch im Bett, wenn sie aufwachte. Meist stand er schon im Badezimmer und rasierte sich.
Er lag in derselben Stellung, in der er eingeschlafen war. Hanna flüchtete aus dem Bett, ihre Beine zitterten. Zum zweiten Mal war sie Witwe geworden. Als Anaka hereinkam, saß sie auf einem Stuhl und zeigte auf das Bett.
» Morto «, war alles, was sie sagte. » Senhor Vaz e morto.«
Anaka stellte das Tablett ab, fiel auf die Knie, wimmerte etwas, was vielleicht ein Gebet war, und eilte dann hinaus. Hanna dachte, Attimilio sei ganz still gestorben. Er habe nicht geschrien wie Lundmark.
Es war, als wäre er aus Scham darüber gestorben, dass es ihm auch beim letzten Versuch nicht gelungen war, mit seiner Frau zu schlafen.
Das etwas chaotische Begräbnis fand auf dem neu angelegten Kirchhof des Ortes statt. Auch Carlos, in einem dunklen Anzug und einem neuen schwarzen Zylinder, nahm daran teil. Zwei Tage danach bekam Hanna Besuch von Attimilios Anwalt Andrade. Er verbeugte sich, sprach ihr sein Beileid aus und nahm ihr gegenüber in der roten Sofagruppe Platz, die Senhor Vaz eigens im fernen Kapstadt hatte anfertigen lassen. Anders als früher sprach er jetzt laut und deutlich. Sie war nicht mehr nur ein Anhängsel von Senhor Vaz.
Anwalt Andrade setzte sie von Folgendem in Kenntnis: »Es liegt ein Testament vor. Es ist von mir und meinem Kollegen Petrus Sabodini bezeugt. Das Testament ist einfach und ganz klar. Es gibt nicht den geringsten Zweifel an seinem Inhalt.«
Hanna hörte ihm zu, aber ohne jeden Gedanken daran, dass sie das, was gesagt wurde, eigentlich betraf.
»Es liegt also ein Testament vor«, wiederholte Andrade. »Daraus geht hervor, dass Sie Attimilios gesamten Besitz erben. Abgesehen von seinem Hotel und dem Betrieb, der damit verbunden ist, besitzen Sie jetzt auch alle weiteren Aktiva, unter anderem ein Warenlager mit Stoffen und neun Esel, die auf Koppeln außerhalb der Stadt grasen. Es existieren auch bedeutende Besitztümer in Pretoria und Johannesburg.«
Anwalt Andrade legte einen Stapel Papiere auf den Tisch und stand auf. Er verbeugte sich erneut. »Es wird mir eine große Freude sein, in Zukunft auch der Anwalt von Senhora Vaz zu sein.«
Erst nachdem er gegangen war, begriff Hanna, was geschehen war. Sie saß regungslos da, hielt den Atem an. Sie war Besitzerin eines Bordells geworden. Dazu gehörten ihr nun neun Esel und ein Affe, der hin und wieder ausriss, sonst aber bereitwillig die Zigarren der Kunden anzündete, die ihr Freudenhaus besuchten.
Sie stand auf und trat auf die Terrasse hinaus. Durch das Fernglas konnte sie das Dach des Hauses erkennen, in dem das Bordell lag. Sie erahnte auch die Umrisse des Fensters, das einmal zu ihrem Zimmer gehört hatte.
Eine Reihe von Schiffen schaukelte draußen auf Reede. Aber die kümmerten sie in diesem Moment nicht. Hingegen holte sie noch am selben Tag Carlos zu sich. Sie nahm auch die große Deckenlampe aus dem Bordell mit, da Carlos so gern darin schlief.
Carlos würde jetzt das große Steinhaus mit ihr teilen. Solange sie in der Stadt blieb, die sich weiß und dampfend bis zur Meeresbucht mit dem Namen Die Lagune des guten Todes erstreckte.
TEIL III
Der Bandwurm im Maul des Schimpansen
44
Als Hanna erwachte, saß Carlos auf ihrem Bett, den behaarten Rücken ihr zugewandt. Ängstlich, wie sie war, fürchtete sie, er könnte stechende oder blutsaugende Insekten in ihr Bett locken. Sie jagte ihn weg und schloss die Tür des Schlafzimmers, ehe sie sich wieder
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