Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
School und dann im Büro, oder zu beschäftigt mit den Unterlagen, die er mit nach Hause gebracht hatte, oder zu müde. Nur zum Ausgehen oder zum Ficken war er nie zu müde. Weißt du noch, wie ich dir in Paris gesagt habe, er braucht mich? Schau mich an, Philip. Klar brauchte er mich. Nur eine Ehefrau brauchte er nicht. Er brauchte eine Hure im Haus, eine mit einem dicken Bankkonto, die seine Rechnungen bezahlt und ihm zeigt, wie man in der großen Welt lebt. Was glaubst du, woher er seinen ganzen Schliff hatte? Von der Buchhalterin oder dem Mann mit der Autowerkstatt?
Lucy, unterbrach ich, Moment mal. Der Mann war brillant. Er sah sogar gut aus. Er hat viel geschafft und alle berechtigten Erwartungen weit übertroffen. Lass doch deinen Ärger, sag dir lieber, dass du einen prägenden Einfluss auf ihn hattest!
Ich hab mir so ziemlich alles von ihm gefallen lassen, entgegnete sie düster.
Das Dinner erwies sich als eine kalte Angelegenheit: kaltes Brathuhn und ein Reissalat aus dem Deli, dazu ein grüner Salat, den sie selbst angerichtet hatte, Käse und eine Zitronentorte von Payard. Alle Gerichte standen auf dem Küchentisch, zusammen mit einer Flasche kalifornischen Rotweins, die ich auf ihre Bitte öffnete. Wir bedienten uns selbst und trugen Teller und Gläser ins Esszimmer.
Du triffst sie wahrscheinlich immer mal, sagte Lucy, als wir saßen. Frag nicht, wen: Sie meine ich natürlich, Jane, die Berühmtheit! Sie wird dich interviewt haben, also hast du mindestens einen beruflichen Grund, höflich zu sein. Offenbar lädt sie in großem Stil ein. Ich lese das in den Gesellschaftsnachrichten auf Seite sechs. Das hat er immer gewollt. Die Schickeria. Jamie geht jedes Mal, wenn er nach New York kommt, zu ihnen zum Essen, sogar, wenn er die Chicana mitbringt, und als Thomas noch lebte, haben sie bei ihnen übernachtet. Findest du es richtig, dass sie ihn jetzt, da Thomas tot ist, immer noch einlädt? Ich finde es taktlos und rüde, wie sie ihm alle ihre Vorteile unter die Nase reibt.
Sie fügte hinzu: Ich vermute, dich lädt sie auch ständig ein.
Ich musste lachen und erklärte ihr, Jane wisse wahrscheinlich gar nicht, dass ich wieder in New York war.
Dann melde dich bei ihr, bevor sie in die Hamptons abreist, fuhr Lucy fort. Das heißt, wenn du eingeladen werden möchtest. Oder interviewt.
Hat sie ihr Haus dort draußen noch?, fragte ich. Wie du siehst, bin ich wirklich nicht mehr auf dem Laufenden.
Es ist Thomas’ Haus, korrigierte mich Lucy, sie war gescheit und hat ihn erst geheiratet, als er reich war. Ja, sie hat das Haus noch und amüsiert sich dort mit meinen alten Freunden, Leuten, die er durch mich kennengelernt hat. Auch Leute aus Little Compton, nicht nur die Clique in der City und den Hamptons gehören dazu!
Vielleicht weil sie den zunehmend kummervollen Ausdruck in meinem Gesicht nicht länger übersehen konnte, hörte sie plötzlich mit dem wütenden Angriff auf. Sie schwieg einen Moment und sagte dann: Schon gut, ich merke, ich soll den Mund halten. Wenn das so ist, schenk mir Wein nach und stell den Rest Huhn und Reis hier auf den Tisch.
Ich tat wie geheißen, und ein paar Minuten lang aßen und tranken wir friedlich. Da sie keine Anstalten machte, den Tisch abzuräumen, als wir mit dem Essen fertig waren, brachte ich die Teller und Platten in die Küche und kam mit den Desserttellern, dem Käse und der Torte zurück.
Lass gut sein, sagte sie. Kümmere dich nicht um das Geschirr. Das Dienstmädchen kommt morgen früh.
Kaffee oder Tee trinke sie nicht, nur zum Frühstück. Sie werde davon zu nervös. Aber die Kaffeemaschine funktioniere, und wenn ich Kaffee wolle, im Kühlschrank sei eine Dose Medaglia d’Oro. In ihrer Küche Kaffee zu kochen, war ungefähr das Letzte, was ich wollte. Ich beschloss, mich gleich nach dem Dessert zu verabschieden.
Ich möchte auch keinen Kaffee, erwiderte ich. Ich habe viel Arbeit und muss mich bald auf den Heimweg machen.
Sie hörte sich das an, verzog die Lippen und nickte. Ja, ja, sagte sie. Du tust überrascht, dass es so schlechtzwischen Thomas und mir stand. Mir fällt es schwer zu glauben, dass du nicht gemerkt hast, wie zerrüttet diese Ehe war, und dass du es nicht hast kommen sehen. Wusstest du nicht, dass ich ihn nie hätte heiraten sollen? Nie! Möchtest du wissen, warum? Wahrscheinlich interessiert es dich nicht. Damals so wenig wie heute. Pervers wie du bist, fandest du es nur unterhaltsam. Warum auch nicht? Du konntest von der ersten
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