Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
ich den Test, und Jane kam ans Telefon. Sie klang begeistert über die Aussicht, mit mir zusammenzukommen und mich ihrem Mann Ned vorzustellen, und fragte sich laut, was besser wäre: wenn wir uns zu dritt zum Dinner verabredeten oder uns erst zu zweit mittags trafen und über die alten Zeiten redeten.Ich äußerte eine leichte Präferenz für den zweiten Vorschlag. Meine alten Stammlokale an der Upper East Side hatten offenbar alle zugemacht oder kein Prestige mehr als Orte, wo jemand wie Jane sich gern sehen ließ, aber sie schlug ein französisches Restaurant an der Lexington Avenue nicht weit von ihrer Wohnung vor. Wir könnten uns dort um eins treffen, da sie an diesem Tag nicht im Studio sein müsse. Sie sagte, sie werde dafür sorgen, dass wir einen ruhigen Tisch hätten.
Sie sah immer noch umwerfend und keinen Tag älter aus als bei unserer letzten Begegnung – kein Wunder bei einer Frau, die sicherlich immer auf ihre Figur und ihren Teint geachtet hatte, aber dennoch irgendwie sehr beruhigend und erfreulich. Ich entdeckte, dass es mir wenig Vergnügen machte, Frauen meines Alter zu sehen oder solche, die wie Lucy nur vier, fünf Jahre jünger waren als ich. Erinnerungen an eine gemeinsame Vergangenheit wieder aufzufrischen, war gut und schön, aber was ich wirklich wollte, war eine Brücke zur Gegenwart. Wir verwendeten die unvermeidlichen zehn Minuten auf den Wahnsinn des Irakabenteuers und dann noch fünf Minuten auf John Kerry und seine verheißungsvolle, aber seltsam lethargische Kandidatur. Ned arbeitet für seinen Wahlkampf, erzählte sie mir. Er wird gern mit dir darüber sprechen, wie du und andere Schriftsteller helfen können. Im Gegenzug erzählte ich ihr, dass ich einige der Forbes-Verwandten des Senators kannte und auch schon daran gedacht hatte, mich irgendwie nützlich zu machen, aber enttäuscht worden war, weil es sich als schwierig herausstellte, etwas anderes zur Unterstützung anzubieten als Geldspenden.
Ned wird diese Tür öffnen, erwiderte sie. Du musstsehr bald zum Dinner kommen. Noch besser, komm einfach über ein Wochenende mit uns nach Water Mill.
Nach einer Pause fragte sie, wie ich mir, jetzt, da ich wieder in New York war, die Zeit vertrieben hätte.
Vor allem mit Arbeit, sagte ich. Ich bin kurz vor dem Abschluss der ersten Fassung eines Buches.
Ist es ein Roman?, fragte sie.
Ich nickte, worauf sie mir versicherte, sie habe meinen letzten natürlich gelesen und es sehr bedauert, dass sie aufgrund von Problemen mit der Zeitplanung nicht habe versuchen können, mich zu einem Interview zu überreden.
Derartige Heucheleien waren mir so vertraut wie verhasst, und ich stand kurz vor einem Wutausbruch, schaffte es aber, mich zurückzuhalten. Es hatte keinen Sinn, dieses Mittagessen zu verderben und vielleicht die Chance zu verspielen, dass sie den neuen Roman vorstellte. Also lächelte ich und zählte weiter meine Aktivitäten auf.
Ich habe mein Apartment in Ordnung gebracht, sagte ich. Zwei junge Verwandte, die Enkelinnen meines Vetters Josiah Weld, hatten fast drei Jahre darin gewohnt. Meine alte Haushälterin behielt sie im Auge, aber trotzdem haben die Kids Spuren hinterlassen, die beseitigt werden mussten. Während das erledigt wurde und bis die ausgelagerten Sachen wieder an Ort und Stelle waren, wohnte ich im Harvard Club. Und sonst? Ich bin nicht besonders auf Gesellschaft erpicht, das passt ganz gut, weil so wenige von den Leuten, mit denen ich früher in New York zusammen war, noch in der Stadt leben oder überhaupt noch am Leben und funktionsfähig sind. Ich war im Kino und einmal auch im Ballett. Da bin ichLucy begegnet, im Ballett, ergänzte ich. Vor ein paar Tagen dann war ich zum Dinner in ihrem Apartment eingeladen – allein!
Was für ein Glück du hast, bemerkte Jane und sprach sehr langsam, das war sicher amüsant und sehr erhellend – alles über Thomas und mich! Ich bin froh, dass du beschlossen hast, mir genauso viel Zeit einzuräumen.
Alles in allem bist du noch ganz gut weggekommen, erwiderte ich, obwohl sie sich wünscht, ihre Freunde hätten sie nicht deinetwegen im Stich gelassen. Über den armen Thomas hatte sie freilich allerhand zu sagen.
Was für eine schreckliche Frau!, gab Jane zurück. Wenn man bedenkt, wie sie ihn terrorisiert hat! Thomas, der in jeder Sitzung das Heft in der Hand hatte, der die führenden Köpfe großer Gesellschaften, Chefs von Zentralbanken, Politiker, Kabinettminister hypnotisierte, wollte sich nur noch verstecken,
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