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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Dank für das Dinner und der Versicherung, dass alles, was sie mir von Genf erzählt hatte, mich tief bewegt habe, erschien mir freundlicher als eine bloße E-Mail. Am nächsten Morgen lief ich mit beschleunigtem Schritt durch den Park, eine Übung, die ich versuchte, mir zur Gewohnheit zu machen, nahm ein Bad und schrieb an Lucy. Der Wohnblock mit ihrem Apartment lag ganz in der Nähe der New York Society Library, wo ich den Nachmittag über recherchieren wollte, deshalb beschloss ich, zu Fuß dorthin zu gehen und den Brief selbst abzuliefern, statt ihn in die Post zu geben. Aber nachdem der Pförtner den Briefumschlag studiert hatte, erklärte er, Mrs. Snow sei aufs Land gefahren. Er werde meinen Brief mit ihrer übrigen Post nachsenden. Dass sie mir von ihrer unmittelbar bevorstehenden Abreise nichts gesagt hatte, kam mir merkwürdig vor, aber die Atempause war angenehm. Ich würde mich nicht so bald wieder mit ihr treffen müssen. Am Abend schickte ich ihr eine E-Mail mit der Nachricht, dass ein richtiger Brief unterwegs sei, und wünschte ihr einen schönen Sommer. Sie antwortete sofort und erklärte, sie sei in aller Eile nach Little Compton gefahren, um an einer dringlichen Bürgerversammlung teilzunehmen, in der es um den Plan zur Verbreiterung einer Straße in der Nähe ihres Grundstücks gehen sollte. Nach dem Wochenende sei sie wieder in New York. Der Pförtner sei ein Idiot: Er hätte ihre Post aufbewahrenund nicht weiterschicken sollen. Gleich morgen werde sie ihn anrufen und ihm den Kopf waschen. Ob ich in New York sei, wenn sie zurückkomme? Und mit ihr zu Abend essen könne? Sie werde erst am Wochenende nach dem Vierten Juli für den Sommer aufs Land ziehen. Ich antwortete, ich sei da und würde mich freuen, sie zu sehen.
    Der Zufall wollte, dass ich ebenfalls vorhatte, übers Wochenende wegzufahren, in mein Haus in Sharon. Der Hausverwalter hatte mir versichert, dass der Mieter, an den ich es für die Dauer des akademischen Jahres vermietet hatte – Peter Drummond, der politische Wissenschaften am Bard College lehrte –, und sein Partner, ein Komponist, dem ich mehrere Male begegnet war, ohne mir seinen Namen merken zu können, das Haus in makelloser Ordnung zurückgelassen hätten, ganz wie in den vergangenen Jahren. Trotzdem wollte ich lieber selbst nachsehen und vielleicht dafür sorgen, dass die Wände in der Küche, dem Wohnzimmer und meinem Schlafzimmer frisch gestrichen wurden. Mir war auch der Gedanke gekommen, dass es jetzt, da ich meine Pariser Wohnung aufgegeben hatte und in New York leben würde, vielleicht angenehm wäre, das Haus in Sharon das ganze Jahr über selbst nutzen zu können. Bevor ich mich endgültig entschied, wollte ich mir jedoch vom Hausverwalter erklären lassen, wie viel es kosten würde, das Haus den Winter über zu beheizen und die lange, gewundene Einfahrt vom Schnee räumen zu lassen. Ich machte mir auch Sorgen, dass Peter einen Umzug schwierig finden würde. Wenn das so war, würde ich ihm eine Frist von mindestens einem Jahr einräumen. Ich wollte am Freitagmorgen aufbrechen, so hatteich noch ein paar Tage Zeit, mich mit Thomas Snows Witwe Jane zu verabreden, was ich mir vorgenommen hatte, seit ich wieder in der Stadt war. Lucys Hasstiraden hatten mein Interesse neu angefacht. Jane hatte wieder geheiratet, aber ihren Mann kannte ich nicht, und seinen Namen hatte ich auch vergessen. Trotzdem konnte es kein Problem sein, sie zu finden. Ihre wöchentliche Fernsehsendung, Interviews mit Autoren, in der ich auch zwei Auftritte hatte, war noch immer im Programm des öffentlichen Fernsehens. Ohne Zweifel hatte der Assistent meines Lektors ihre Telefonnummer oder konnte sie ausfindig machen.
    Lucys höhnische Bemerkung über Jamies Besuche bei seiner Stiefmutter brachte mich jedoch darauf, dass sie sehr wahrscheinlich noch in Thomas’ Apartment an der Park Avenue wohnte, dessen Lage, südlich der Seventy-Second Street und auf der wünschenswerten Westseite der Straße, noch ein zusätzlicher Dorn in Lucys Auge sein musste. Also wandte ich mich am nächsten Morgen zunächst nicht an den jungen Mann im Verlag und holte mir auch nicht bei Google Auskunft, sondern wählte Tomas’ alte Nummer und bat, mit Jane Morgan sprechen zu können. Wie angesichts des mickerigen Verkaufs meiner beiden letzten Bücher zu erwarten war, sagte mein Name der Sekretärin, die den Anruf annahm, gar nichts, weshalb sie mich mit ärgerlicher Ausführlichkeit peinlich befragte. Am Ende bestand

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