Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
er werde versuchen, mir wenigstens bis zum Ende der Rehabilitation und Physiotherapie weiterzuhelfen. Bill schaffte es nicht, dass ich vom Alkohol oder den Schlaftabletten loskam oder mich nicht mehr von Hubert missbrauchen ließ, aber dass ich – zum ersten Mal überhaupt, glaube ich – einfach nur reden und reden konnte, ohne aufpassen zu müssen, was ich sagte, das rettete mich.
Hubert verschwand, ohne dass jemand nachhalf, an den Iden des März aus meinem Leben. Ich frage mich, ob er es so geplant hatte. Wir hatten Sex, er zog ihn heraus, wischte sich an meinem Morgenrock ab, den ich, weil er darauf bestand, immer trug, wenn er da war, trank einen doppelten Whiskey und sagte mir: Diesmal ist eswirklich vorbei, ma petite Lucy, cette fois-ci on se quitte pour le bon. Brigitte sei bereits wieder nach Genf gezogen. Warum ich ihm nicht die Weinflasche über den Schädel geschlagen habe, als er sich niederbeugte, um mir die Hand zu küssen? Wahrscheinlich war ich zu verblüfft oder zu entsetzt oder beides.
Bald danach begann Bill mit mir über meine Rückkehr nach Hause zu sprechen und zu überlegen, wo ich die eigentliche Behandlung anfangen sollte. Ich sagte ihm, dass New York mir Angst mache, solange ich so aussähe und mich so fühlte wie zurzeit. Er schlug Boston oder Cambridge vor. Der Analytiker, der ihn ausgebildet habe, praktiziere in Cambridge. Wenn er Zeit hat, würde er gut passen, sagte er. Ich dachte darüber nach, und allmählich entstand in meinem Kopf ein Bild vom Leben in Cambridge oder vielleicht am Beacon Hill, ein Bild, das mich mit Nostalgie und Sehnsucht nach einem Ort erfüllte, an dem niemand mir zu nahe treten würde, an dem es keine Komplikationen gab und ich nichts mit den Schweizern oder den Franzosen zu tun hätte. Komisch: Natürlich wusste ich, dass Thomas an der Business School war, er schrieb mir weiter, aber ich stellte keinen Zusammenhang her und begriff nicht, dass er die eine Person war, die mir ganz sicher zu nahe treten würde. Nicht, dass es etwas geändert hätte. Dr. Reiner konnte mich als Patientin nehmen. Jemand in der Fondsverwaltung fand ein Apartment am Louisburg Square für mich, es lag im Erdgeschoss an der Rückseite des Hauses, hatte einen eigenen Eingang und Zutritt zum Garten. Im Mai zog ich ein. Dr. Reiners Rat war vernichtend, aber ich war so niedergeschlagen, dass ich nichts dagegen sagen konnte. Er sagte: Sie müssen in die Heilanstalt McLean.Wenn Sie trocken und weniger hysterisch sind, werde ich mit Ihnen arbeiten. Also ging ich in die Anstalt.
Wieder weinte sie. Welches Recht hatte ich, ihr Vorwürfe zu machen oder zu sagen, sie solle aufhören? Ich schlich auf Zehenspitzen aus der Bibliothek, machte ihr noch einen Highball und mir ebenfalls einen, der etwas schwächer war.
Hier, sagte ich, das brauchen wir jetzt beide.
Sie hörte auf zu weinen und sagte: Ich muss pinkeln. Komme gleich wieder. Vor dem Foyer ist eine Toilette, die du benutzen kannst.
Als sie wiederkam, tranken wir ein paar Minuten schweigend. Dann sagte sie: Sogar dieser Teil der Geschichte ist länger, als ich dachte. Ich bringe ihn mit ein paar Worten zu Ende. Ungefähr Ende August konnte ich meine Entlassung aus der Anstalt durchsetzen, kurz bevor Dr. Reiner aus Cape Cod zurückkam. Wir fingen mit der Behandlung an, und ich wanderte täglich zu seiner Praxis in einem Haus an der Ecke Sparks und Highland in Cambridge, wo er auch wohnte. Wenn man sich mit dem Analytiker gut versteht, gibt es manchmal am Anfang einer Behandlung eine Phase, in der man sich selbst damit überrascht, dass man sich wohlfühlt. So ging es mir. Eine Frau, die ich in meiner Zeit am Radcliffe kennengelernt hatte, war mittlerweile eine einflussreiche Lektorin bei Houghton Mifflin, wo später The Painted Bird veröffentlicht wurde. Sie war sehr nett zu mir gewesen und hatte gesagt, wenn ich je einen Job bei einem Verlag haben wollte, sollte ich mich bei ihr melden. Ich fand den Mut, Kontakt mit ihr aufzunehmen; sie erinnerte sich an mich und gab mir Arbeit, zuerst ließ sie mich Manuskripte lesen und dann Texte redigieren. Eszeigte sich, dass ich das gut konnte; an meinem Englisch war nie etwas auszusetzen. In unserer Familie sprechen alle gut, und alle können klare Texte verfassen – sogar meine Mutter und John. Das Problem mit den beiden ist nur, dass sie nichts zu sagen haben.
Und nun bin ich wirklich müde, sagte sie. Du gehst jetzt am besten nach Hause.
V
Ein handgeschriebenes Billet an Lucy mit einem
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