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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Fendant getrunken hatte. Das war mir egal. Ich lag im Krankenhaus. Als ich mit meinem dicken schweren Gips entlassen wurde, fand der rundliche Hotelarzt Pflegerinnen, die mir halfen. Sie schliefen auf einem Feldbett im Wohnzimmer. Ich weigerte mich, in eine Klinik zu gehen. Zuerst kam der Physiotherapeut ins Hotel. Später brachte die Pflegerin mich in seine Praxis. Vater zwang Mutter, herzukommen und nach mir zu sehen. Sie begriff, wie viel ich trank, schrie herum und redete pausenlos auf mich ein: Wenn ich nicht in die Klinik ginge, um mein Bein kurieren zu lassen und einen Entzug zu machen, würde sie mich nicht in Bristol empfangen. Sie würden mir auch den Geldhahn zudrehen, drohte sie, aber ich wusste, dass sie das wegen des Treuhandfonds nicht konnten. Es war nicht das erste Mal. Will sagen, sie hatte mich schon einmal aus dem Haus geworfen, als ich im letzten Jahr auf der Farmington School Ärger hatte und nicht zur Abschlussfeier gehen durfte. Die Direktorin hatte Angst, ich würde die anderen Mädchen kontaminieren! Also sagte ich zu Mutter, sie könne mich mal.
    Hubert tauchte schließlich eines Abends auf, völlig ungerührt, musterte mich, erklärte mir, ich hätte mich gehenlassen, tu t’es vraiment laissée aller ma vieille , und fragte, ob meine Wärterin – die Krankenschwester, die sich taktvoll ins Schlafzimmer zurückgezogen hatte – eigentlich ständig da sei. Ob man sie nicht mal auf einen Botengang schicken könne, ihr nahelegen, die Beine zu bewegen, se dérouiller les jambes ? Was das heißen sollte, war nicht schwer zu erraten: Underfucked , diagnostizierte er meinen Zustand, leicht heilbar, wenn er mir eine Dosis Sex gönnte. Ich hatte ein paar GläschenFendant getrunken, und der Widerwille, den er zuerst in mir erregt hatte, wich langsam einem ungeheuren, überwältigenden Verlangen, mich von ihm benutzen, noch tiefer erniedrigen zu lassen. Ich rief Madame Berthe, sagte, Monsieur werde zum Dinner bleiben, und verabschiedete mich von ihr. Sie sagte, bien, madame , und verschwand. Ich trug einen langen seidenen Morgenrock; das Kleidungsstück, das sich am besten mit dem Gips vertrug. Das Ankleiden, um zur Physiotherapie zu gehen, war ein ziemlicher Aufwand. Ich saß auf einem kleinen Zweiersofa – wie gemacht für Liebesleute, könnte man sagen. Er versuchte nicht, mich auszuziehen. Spreizte mir nur die Beine, schob das gesunde hoch, so dass mein Fuß auf dem Sitz aufgestützt war, öffnete seinen Hosenschlitz und machte sich über mich her. Balthus hat ein Mädchen gemalt, das mit einem aufgestützten Fuß und geöffneten Beinen auf einem solchen Sofa sitzt. Das Gemälde hab ich nie ansehen können, ohne wieder in diesem Zimmer zu sein, ihn in mir zu spüren und so zu zerschmelzen, wie er mich immer schmelzen lassen konnte. Damit war das Muster festgelegt. Keine Vorspiegelung von Liebe, keine Rede von Scheidung, kein Plan von einem Zusammenleben. Er rief nur kurz an, bevor er kam, also schickte ich die Pflegerin nach Hause, manchmal – selten – blieb er zum Abendessen, aber eigentlich ging es ihm nur darum, sich zu erleichtern, nicht anders als auf der Toilette. Nein, ich wollte es nicht beenden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich gewusst hätte, wie. Aber ich wusste, dass es mir nicht gut ging und dass mein Zustand sich nicht bessern würde. Mit meinem Bein hatte das nichts zu tun; das heilte. Der schwere Gips war abgenommen, und ich trug nur noch einen leichten Stützverband. Schlechtging es mir innerlich. In Genf hatte ich einen Menschen etwas näher kennengelernt, einen amerikanischen Psychiater, der mit einer Schweizerin verheiratet war, einer Dozentin an der Universität Genf für amerikanische Literatur des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts. Ich hatte die beiden ein paarmal bei Abendessen getroffen. Bill – so hieß er – hatte einen Lehrvertrag mit der Universität. Ich glaube, deshalb durfte er auch Analysen machen, obwohl er keine Medikamente verschreiben konnte. Aber ohnehin beschränkte er sich auf Analysen. Er hatte mich mit seiner Brillanz beeindruckt, und es tat gut, mit ihm Englisch sprechen zu können, wenn rings um uns nur Schweizer waren. Also rief ich ihn an und sagte, mir gehe es sehr schlecht. Er war bereit, mich zu sehen. Nachdem wir uns ein paarmal getroffen hatten, erklärte er mir, mein Zustand erlaube nicht, eine Analyse anzufangen, die ohnehin bedeuten würde, dass ich länger in Genf bleiben müsste, als ich nach seinem Eindruck beabsichtigte, aber

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