Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
erzählen, fuhr er fort, dass ich oft Gelegenheit hatte, die Snow-Ménage in Aktion zu beobachten. Dick und ich fanden die Bleibe in der Lexington Avenue, kurz nachdem sie in die Stadt gezogen waren. Lucy und ich waren in Kontakt geblieben, also kamen wir gleich zusammen. Es war mitleiderregend, wie sie um Atem rang, verzweifelt versuchte, nicht an der Einförmigkeit des Daseins zu ersticken, in das die beiden gestolpert waren: Ihre einzige Gesellschaft waren diese Kollegen aus seiner Firma, mit denen sie nach Thomas’ Wunsch Umgang pflegen sollte, irgendwelche Banker, darunter Josiah, und Anwälte, mit denen er an Abschlüssen arbeitete. Was für ein Unterschied zu den Leuten, an die sie sich in Paris gewöhnt hatte! Übrigens waren viele aus der Pariser Clique hier, aber die hatte Lucy aus den Augen verloren, und sie hatten nicht gerade Ausschau nach ihr gehalten. Unter uns, für die meisten dort war sie nur eine Randfigur gewesen, die kleine Cocktailpartys und Dinner mit gutem Essen gab. Das hatten sie in Paris ganz nützlich gefunden, aber in New York konnten sie sich nicht für Lucy erwärmen, selbst wenn sie Köder auswarf. Du weißt, wie solche Dinge laufen. Alte Freunde fallen in ein schwarzes Loch oder werden zu erfolgreich. Also tat ich, was ich konnte. Zum Beispiel brachte ich sie mit Penny Stone zusammen, du erinnerst dich wahrscheinlich noch, sie war eine Südstaatlerin, hatte Malerei studiert und arbeitete ab und zu als Model, bevor sie dann zur Fotografie überging und für die Vogue arbeitete. Sie nahm Lucy mit zu Galerieeröffnungen und machte sie mit ein paar Freunden bekannt. Da war Mac Howell, ein ziemlich guter Lyriker. Durch ihn lernte sie Gianfranco Rossi und einen ganzen Schwarm Maler kennen. Natürlich war aus Thomas’ Blickwinkel keiner respektabel, manche, besonders Mac, tranken viel, und sie rauchten Gras – oder Hasch, wenn sie drankamen –, und manche warfen LSD ein. Lieber Gott, das machten wir alle, und Lucy fand das Gras und das Hasch ziemlich gut! Die wirklich harten Sachen probierte sie nicht, dazu fehlte ihr der Mut. Jedenfalls, Thomas fand, diese Leute könneman nicht mit seinen Freunden zum Dinner oder zu anderen Gelegenheiten einladen. Dann fingen Dick und ich mit unseren Partys an, immer donnerstags, offenes Haus. Ich kann dir sagen, da kamen alle. Es wurde so voll, dass die Leute im Treppenhaus Schlange standen. Natürlich hatten Lucy und Thomas eine Dauereinladung. Sie kam regelmäßig, und eine Zeitlang auch Thomas, weil er begriffen hatte, dass dies Happenings waren, gesellschaftliche Ereignisse, die in Klatschspalten und so weiter erwähnt wurden. Lucy machte sich gut in diesem Szenario, genau wie in Paris, aber Thomas schaffte es irgendwie, dass ein leerer Raum um ihn war. Er war nicht grob – nur eisig und versteckt feindselig. Man musste nicht besonders dünnhäutig sein, um zu merken, dass er sich fehl am Platze fühlte, dass er sich an einen anderen Ort wünschte, dass er lieber mit jemand anderem geredet hätte, und vor allem, dass ihm das Ganze nicht passte. Über seine Art, Leute auf unseren Partys gegen sich aufzubringen, muss es Krach zwischen den beiden gegeben haben, denn nach einer Weile kam sie nur noch allein. Er tauchte einfach nicht mehr auf. So traf sich Lucy weiter mit Penny und Mac und ein paar anderen in Bars oder bei Penny, und sie tranken und kifften zusammen. Aber von der Idee, hier einen Salon zu schaffen, wie sie ihn mehr oder weniger in Paris hatte, konnte keine Rede mehr sein. Nichts zu machen, nicht mit diesem kalten Boreas, der so passend Thomas Snow hieß! Hier wäre übrigens noch ein ganz anderes Kapitel zu schreiben. Zu einer Zeit, als wir alle, auch Lucy, die Ellbogen verschränkten und gegen den Krieg demonstrierten, war Thomas für LBJ. Den hielt er für einen großartigen Präsidenten! Er war überzeugt, dass wir in Vietnam Interessen wahrten, die für uns lebenswichtig waren. Natürlich widerrief er, lange bevor die Pentagon-Papiere veröffentlicht wurden, aber trotzdem blieb er tief in Ungnade.
Du konntest ihn wirklich nicht leiden, wagte ich zu sagen. Lucy hat Charles Bovary geheiratet! Willst du das andeuten? Dann sag’s doch offen.
Nein, gar nicht, antwortete Bill, auch wenn man aus Romanen viel mehr lernt als vom Leben. Ich fand ihn ganz in Ordnung, und anscheinend war ich von all den ehemaligen Parisern, denen er in dieser Zeit in New York begegnete, der einzige, den er sympathisch fand und gelten ließ. Das lag nicht so
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