Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
das sich praktisch von jedem, der ihr über den Weg läuft, flachlegen lässt, selbst von solchen Psychopathen wie diesem Schweizer, Hubert. Sie brauchte jemanden, mit dem sie reden konnte. Mit wem hätte sie es kuscheliger haben können als mit einem netten Schwulen wie mir, der gern mit Frauen zusammen ist? Sie konnte mich anmachen, soviel sie lustig war, ohne es mir besorgen zu müssen, und sie konnte auf das Mitgefühl von jemandem zählen, dessen eigenes Sexleben damals nicht gerade unkompliziert war, so wenig wie heute. Im Gegenzug erzählte ich ihr von meinen Kümmernissen. Hast du ihn eigentlich gekannt, den gefürchteten Hubert? Müsstest du wohl, wenn ich es mir recht überlege. Er war mit Guy Seurat befreundet.
Ich schüttelte den Kopf und sagte, Lucy habe von ihm erzählt.
Sei froh, dass du das Vergnügen nicht hattest, sagte Bill, er war ein Ekelpaket. Lucy ist eine verdammte Romantikerin, das ist der Schlüssel. Sie hat dir wahrscheinlich erzählt, dass Hubert fickte wie ein Gott, oder etwas in der Richtung, und dass er damals ein bedeutender Journalist war. Ich denke mir aber, den Handel besiegelt hat etwas anders: dass er als ein furchtloser und sehr fähiger Bergsteiger bekannt war. Das kam zum Skilaufen noch dazu. Wusstest du davon?
Wieder schüttelte ich den Kopf.
Na ja, er hat die Nordwand des Matterhorns alleinbezwungen, nur mit einem einzigen Führer, und auch die Eigernordwand, die nach allem, was man hört, mörderisch sein muss. Diesen Hubert hätte sie erfinden müssen, wenn es ihn nicht schon gegeben hätte: einen Sadisten mit starkem Todestrieb! Hätte Lucy mehr verlangen können? Oder denk an ihre Affäre mit Aly Khan! Weißt du davon? Er schob sie zwischen Rita Hayworth und Bettina ein. Sie begleitete ihn bei seinen wilden nächtlichen Rasereien nach Deauville, wo er unbedingt hinmusste, weil eines seiner Pferde dies oder jenes tat. Hinterher erzählte sie mir, im ganzen Leben habe sie nicht so viel Angst ausgestanden wie bei ihm in einem seiner Autos. Der Sex war nach ihrer Beschreibung auch lebensbedrohlich.
Die Geschichte mit Aly kannte ich nicht, sagte ich. Ich habe wohl nicht die richtigen Zeitungen gelesen.
Sie schafften es, die Sache ganz unter der Decke zu halten, erwiderte Bill. Wie, weiß ich nicht, aber es funktionierte, nur eine Zeitung brachte eine Glosse, Paris-presse : Prinz Aly gewinnt eine amerikanische Aristokratin für seinen haras , sein Gestüt. Keine andere Zeitung nahm die Meldung auf.
Bei der Erinnerung lachte Bill Tränen. Er wischte sie ab und redete weiter. Jetzt trage ich dir eine Theorie vor, die eines Havelock Ellis würdig wäre. Für neurotische Romantiker wie Lucy gibt es sexuelle Attraktion und das, was man Liebe nennen könnte, in zwei Extremen, Antipoden. Auf der einen Seite sind die echten romantischen Liebhaber, vorzugsweise Künstler oder Schriftsteller. Sie sind die Guten, dürfen aber nicht schwach sein, und das ist, denken wir an die meisten unserer Kollegen, ein großes Problem. Herrschsüchtige Mistkerle und Sadisten machen auf der anderen Seite ihre Beutezüge.Das ist Huberts Herrschaftsgebiet. Ich frage mich, wie Miss Lucy mit ihrem De-Bourgh-Stolz und so weiter – jemand in Paris, der die Eltern gut kannte, vielleicht der Botschafter, mit dem ich ziemlich vertraut war, sagte mal zu mir, die De Bourghs meinten, sie würden nicht pissen und scheißen wie andere Leute –, wie Lucy vor sich selbst rechtfertigen konnte, dass sie sich von ihm derartig missbrauchen ließ, als er mit den harten Sachen anfing. Ich glaube und möchte wetten, dass hier die Aura des Abenteuers – Skilaufen, Matterhorn, Eiger – brauchbare Gründe lieferte. Diese Abenteuer werteten auf, was sie tat – und vor allem, was er ihr antat. Bleibt noch der Bereich zwischen den beiden Antipoden, in dem nur nebensächlicher Sex stattfinden kann und wird. Hier, in diesem leeren Zwischenraum traf sie auf Thomas, davon bin ich überzeugt, und hier hätte die Affäre mit ihm auch bleiben sollen. Wir wissen weder, ob Lucy den idealen romantischen Liebhaber je gefunden hat, noch, wer er gewesen sein könnte, aber Thomas war es mit Sicherheit nicht. Und Thomas, Pech für ihn, war auch kein Hubert light . Wäre er es doch gewesen! Dann hätte sie ihn wahnsinnig geliebt und ihm alles verziehen, es sei denn, er hätte wie Hubert eine knallrote Grenzlinie übertreten. Aber so wie es stand, konnte der arme Thomas dabei nur die schlechteste Karte ziehen.
Ich sollte dir noch
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