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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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deshalb war ich froh, dass die Unterhaltung zu einem anderen Thema überging und sich nun um den Irak drehte. Am Tag zuvor hatte ein Selbstmordattentäter das UN-Hauptquartier in Bagdad in die Luft gesprengt, der UN-Sonderbeauftragte und über ein Dutzend mehr Menschen waren getötet worden. Die Ahnungslosigkeit unseres neuen Zivilverwalters Paul Bremer, der beginnende Religionskrieg in diesem gottverlassenen Land, die Plünderung seiner Kunstschätze, die unser Militär nicht verhindern konnte, und die Überraschungsangriffe auf unsere Truppen erfüllten uns alle mit Sorge und düsteren Vorahnungen. Dann brach Josiah das Schweigen mit den Worten: Wenigstens sind wir Saddam losgeworden. Bill widersprach: Wenn Amerika sich als Drachentöter betätigen wolle, dann seien viele andere in der Warteschlange, manche davon schlimmereUngeheuer, Kim Jong Il zum Beispiel. Wenn wir auf diesem Weg weitergingen, werde das mit der Demoralisierung unseres Landes und der Entgleisung unserer Wirtschaft enden, davon sei er jedenfalls überzeugt. All sein Geld, außer einem Betrag in bar, von dem er ungefähr ein Jahr leben könne, habe er in Aktien angelegt. Solle er die verkaufen? Wenn ja, was stattdessen kaufen? Josiah gab ihm umständliche Ratschläge über die Notwendigkeit zu diversifizieren und die Vorteile einer Investition in Dividendenpapiere. Er selbst kaufe Gold für den Notfallfonds seiner Familie, sagte er. Goldmünzen. Dafür findest du immer einen Käufer, selbst wenn in einer Krise kein Geld mehr aus dem Automaten kommt. Außerdem kannst du die Steuer auf den Gewinn umgehen, wenn du dich nicht dumm anstellst. Und glaub mir, es zahlt sich aus, Gold zu halten, fügte er noch hinzu.
    Am nächsten Tag raffte ich all meinen Mut zusammen und fragte Bill, ob er die vorläufige Fassung lesen würde. Das werde er gern tun, sagte er. Im Gegenzug wollte er wissen, was es mit meinem neuen Interesse an Lucy auf sich habe.
    Ich habe gemerkt, dass ich dich gestern Abend mit meinem Gerede über sie schockiert habe, fügte er hinzu. Ich hatte vor dem Essen einen Whiskey zu viel und dann überreichlich von deinem Wein getrunken. Es ist eben so, dass ich ihr nicht verzeihen kann, wie sie sich benahm, als Dick und ich uns trennten. Vielleicht müsste ich es, aber ich kann nicht.
    Ich erklärte ihm, mein Interesse sei alles andere als neu; wie er hätte ich sie in Paris gekannt, später auchin New York immer mal wieder gesehen, und dann sei ich ihr gleich nach meiner Rückkehr nach New York am Ballettabend zufällig begegnet. Dass sie so verändert war, habe mich erschreckt und fasziniert. Damit sei nicht ihr Äußeres gemeint – in der Hinsicht habe sie sich so gut gehalten, wie zu erwarten war. Verwundert habe mich der siedende Ärger, der jeden Moment in Wut, Missgunst und Bitterkeit umschlagen konnte, und das Potenzial für solche Gefühle hätte ich früher nicht in ihr vermutet. Sie habe ihren Humor verloren. Dass sie in ihrer Feindseligkeit gegen Thomas, gar ihrem Hass auf ihn noch immer so hemmungslos war, obwohl der Mann seit 1998 nicht mehr lebte und obwohl sie seit mindestens fünfundzwanzig Jahren von ihm geschieden war, das habe mich schockiert und überrascht. Was hatte er ihr angetan? Was hatte sie ihm angetan? Wie gesagt, er ist tot, und als er noch lebte, war er kein übler Kerl. Ich mochte ihn.
    Bill lachte und sagte, so rätselhaft ist das auch wieder nicht. Sie hat ihr Leben verhunzt. Tief im Inneren weiß sie das auch, aber das hilft ihr nicht, weil sie nicht zugeben kann und will, dass sie es sich selbst zuzuschreiben hat, und folglich einen anderen finden muss, dem sie die Schuld geben kann. Thomas war der logische Kandidat, und jetzt kann der arme Kerl nicht mal versuchen, sich zu verteidigen. Ich habe sie wirklich gut gekannt, in Paris und in New York. Ich war sogar ihr Busenfreund und Beichtvater, aber nicht ihr Gewissensrat – wenn sie denn jemals einen gebraucht hätte! Das hörte auf, als Dick mich verließ und sie für ihn Partei ergriff – grundlos, dumm und gehässig. Ich habe ihr nicht verziehen, das sagte ich dir, und wir haben seitdem keinen Kontakt mehr. Nicht dass sie versucht hätte, sich zu entschuldigenoder es wiedergutzumachen! Zugeben, dass sie im Unrecht ist, ist in ihrer DNA nicht angelegt. Wie auch immer, kommen wir zurück zu der Zeit, als wir die besten Freunde waren, eine Beziehung, die sich häufiger, als dir vielleicht klar ist, zwischen einem schwulen Mann und einem Mädel entwickelt,

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