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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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wollte, daß Rußland an seinem Allianzvertrage mit dem Wiener Hofe festhalte und Maria Theresia Hilfe leiste, hingegen nicht wünschte, daß es in erster Linie kriegführend gegen Preußen auftrete. Bestuscheff dachte als Patriot und war nicht leicht zu lenken, während die Herren Woronzow und Iwan Schuwaloff sich ganz in die Hände der Gesandten gegeben hatten. Vierzehn Tage, ehe der Großkanzler Graf Bestuscheff in Ungnade fiel, kam der Marquis de L'Hôpital mit einer Depesche in der Hand zum Vizekanzler Woronzow und sagte ihm: »Herr Graf, diese Depesche habe ich soeben von meinem Hofe empfangen. Es heißt darin, daß, wenn binnen vierzehn Tagen der Großkanzler Ihnen seine Stelle nicht abtritt, ich mich ferner nur an ihn wenden und nur noch mit ihm die Geschäfte unterhandeln soll!« Das zündete! Sofort begab sich der Vizekanzler zu Iwan Schuwaloff, und man stellte der Kaiserin vor, ihr Ruhm leide unter dem Ansehen des Grafen Bestuscheff in Europa. Sie gab Befehl, noch am nämlichen Abend eine Konferenz zu halten, bei der der Großkanzler zugegen seinsollte. Er ließ sich krank melden. Man nannte jedoch diese Krankheit Ungehorsam und befahl ihm, er solle ohne Verzug erscheinen. Er kam und wurde mitten in der Konferenz verhaftet. Man nahm ihm seine Aemter, seine Würden und Orden, ohne daß irgend jemand anzugeben vermochte, wegen welcher Verbrechen oder Frevel man die erste Persönlichkeit des Reiches auf eine solche Weise beraubte, und schickte ihn als Gefangenen auf seine Güter. Als die Kompagnie Gardegrenadiere, die man schon im voraus hatte kommen lassen, durch die Moika marschierte, wo die Häuser der Grafen Alexander und Peter Schuwaloff lagen, sagten die Soldaten: »Gott sei Dank, wir sollen diese verfluchten Schuwaloffs verhaften, die weiter nichts tun, als Monopole einführen.« Aber als sie schließlich sahen, daß es sich um Graf Bestuscheff handelte, drückten sie ihr Mißfallen durch die Worte aus: »Nicht er, sondern die andern unterdrücken das Volk.«
    Obgleich Graf Bestuscheff in demselben Palaste verhaftet worden war, dessen einen Flügel wir bewohnten, und zwar gar nicht weit von unsern Gemächern, so erfuhren wir doch an jenem Abend nicht das geringste davon; so sorgfältig suchte man uns alles, was vorging, zu verbergen. Tags darauf – es war ein Sonntag – erhielt ich durch Leon Narischkin ein Billett, das Graf Poniatowski, der schon längere Zeit mit Mißtrauen betrachtet wurde, mir auf diesem Wege zugehen ließ. Es begann folgendermaßen: »Der Mensch ist nie ohne Hilfsquellen. Ich bediene mich dieses Weges, um Sie zu benachrichtigen, daß gestern abend Graf Bestuscheff verhaftet und seiner Würden beraubt worden ist, und zugleich mit ihm Ihr Juwelier Bernardi, Telekin und Abaduroff.« – Ich fiel wie aus den Wolken, als ich diese Zeilen las, und sagte mir, ich dürfe mir durchaus nicht schmeicheln, daß diese Angelegenheit für mich selbst von so geringer Bedeutung sein würde,als es momentan den Anschein hatte. Um dies indes verständlich zu machen, ist folgender Kommentar nötig. Bernardi war ein italienischer Juwelier, dem es nicht an Geist fehlte, und dem sein Beruf Zutritt in die vornehmsten Häuser verschaffte. Ich glaube, es gab kein einziges, das ihm nicht etwas schuldig war, und dem er nicht diesen oder jenen kleinen Dienst erwiesen hatte. Da er beständig überall aus- und einging, beauftragte man ihn auch zuweilen mit Bestellungen an andere, denn ein durch Bernardi geschickter Brief kam schneller und sicherer an, als wenn man ihn durch einen Bedienten beförderte. Nun setzte plötzlich Bernardis Verhaftung die ganze Stadt in Aufregung, denn alle hatten ihm Aufträge gegeben, ich selbst nicht ausgenommen. Telekin war früherer Adjutant des Oberjägermeisters Razumowski gewesen und hatte die Vormundschaft Beketoffs geleitet. Er war dem Hause Razumowski ergeben geblieben und der Freund Poniatowskis geworden. Ueberdies war er ein erprobter, rechtschaffener Mann, dessen Zuneigung man nicht leicht verlor, wenn man sie einmal besaß. Für mich hatte er stets besonderen Eifer und große Ergebenheit gezeigt. Abaduroff war früher mein Lehrer im Russischen gewesen und mir sehr ergeben geblieben. Ich hatte ihn dem Grafen Bestuscheff empfohlen, doch schenkte ihm dieser erst nach zwei oder drei Jahren sein volles Vertrauen. Er war vorher nicht günstig gegen ihn gestimmt, weil Abaduroff zur Partei des Oberstaatsanwaltes Fürst Nikita Juriewitsch Trubetzkoi gehörte, der Bestuscheffs

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