Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
zur Teilnehmerin an der Regierung erklären zu lassen. Ferner sollten alle Aemter in den Händen derselben Personen bleiben, ihm indes die Stelle eines Generalleutnants über vier Garderegimenter und die Präsidentschaft der drei Reichskollegien, der auswärtigen Angelegenheiten, des Krieges und der Admiralität übertragen werden. Seine Ansprüche waren, wie man sieht, ein wenig übertrieben. Den Entwurf dieses Manifestes, den Pugowoschnikoff eigenhändig geschrieben, hatte er mir durch den Grafen Poniatowski geschickt, mit dem ich übereingekommen war, ihm mündlich für seine guten Absichten gegen mich zu danken. Zugleich aber wollte ich ihm erklären, daß ich die Ausführung seines Planes für sehr schwierig halte. Er hatte seinen Entwurf mehrmals schreiben und wieder abschreiben lassen, hatte ihn geändert, erweitert oder gekürzt und schien sehr damit beschäftigt. Wenn ich aber die Wahrheit sagen soll, so betrachtete ich seinen Plan als eine Art Faselei, eine Lockspeise, die der Alte mir hinhielt, um sich meiner Zuneigung zu vergewissern. Allein ich biß nicht an, weil ich in diesem Plane eine Gefahr für das Reich erblickte, das durch jeden Streit zwischen mir und meinem Gemahl, der mich ohnedies nicht liebte, zersplittert worden wäre. Da indes bis jetzt ein solcher Fall noch nicht eingetreten war, wollte ich einem alten Manne nicht widersprechen, der, wenn er sich einmal eine Sache in den Kopf gesetzt hatte, äußerst hartnäckig und steif dabei verharrte. Sein Plan also war es, den er Zeit gehabt hatte, zu verbrennen, und er benachrichtigte mich davon, um die, welche darum wußten, zu beruhigen.Inzwischen kam mein Kammerdiener Skurin, um mir zu sagen, daß der Kapitän, der den Grafen Bestuscheff bewachte, ein alter Bekannter von ihm wäre und jeden Sonntag bei ihm zu Mittag speise. Wenn die Sache so wäre, sagte ich ihm, und er auf ihn rechnen könne, so solle er doch versuchen, ihn auszufragen, um zu sehen, ob er sich zu einem Einverständnis mit seinem Gefangenen hergeben werde. Dies war um so nötiger, als Graf Bestuscheff Stambke mitgeteilt hatte, man möchte Bernardi dringend empfehlen, im Verhör die reine Wahrheit zu sprechen und alles zu sagen, worüber man ihn befragen werde. Als ich erfuhr, daß Skurin es gern auf sich nehmen wollte, Mittel ausfindig zu machen, um mit dem Grafen Bestuscheff in Verbindung zu treten, sagte ich ihm, er möchte gleichfalls versuchen, mit Bernardi in Berührung zu kommen und zusehen, ob er nicht den Sergeanten oder Soldaten, der ihn in seiner Wohnung bewachte, gewinnen könne. Noch am selben Tage gegen Abend sagte mir Skurin, Bernardi sei von einem Sergeanten der Garde namens Kalischkin bewacht, und er würde morgen mit ihm eine Zusammenkunft haben. Außerdem habe er zu seinem Freunde, dem Kapitän, geschickt, um ihn zu fragen, ob er den Grafen Bestuscheff für einen Augenblick sehen könne. Allein dieser hatte ihm geantwortet, wenn er mit ihm sprechen wollte, sollte er zu ihm kommen. Einer der Unterbeamten indes, den Skurin ebenfalls kannte, und der gleichzeitig ein Verwandter von ihm war, hatte ihm geraten, nicht hinzugehen, weil, sobald er hinkäme, der Kapitän ihn verhaften ließe und sich dies als Verdienst anrechnen würde, dessen er sich schon im geheimen rühmte. Skurin schickte also nicht mehr zum Kapitän, seinem vorgeblichen Freund, dafür aber sagte Kalischkin, den ich in meinem Namen mit ins Vertrauen zu ziehen befahl, Bernardi alles, was man nur wünschte. Uebrigens sollte er nichts als die reine Wahrheitsagen, wozu sich auch beide von ganzem Herzen verstanden.
Nach einigen Tagen kam Stambke eines Morgens sehr früh ganz blaß und entstellt zu mir, um mir mitzuteilen, daß seine Korrespondenz mit dem Grafen Bestuscheff entdeckt worden wäre. Der Waldhornbläser sei verhaftet und allem Anscheine nach hätten ihre letzten Briefe das Unglück gehabt, in die Hände der Wächter des Grafen Bestuscheff zu fallen. Er selbst sei jeden Augenblick gewärtig, des Landes verwiesen, wenn nicht verhaftet zu werden; er wäre nur zu mir gekommen, um mir dies zu sagen und Abschied von mir zu nehmen. Mir war durchaus nicht behaglich zumute, als ich solches hörte, doch tröstete ich ihn, so gut ich konnte, und entließ ihn, überzeugt, daß sein Besuch womöglich die schlechte Stimmung gegen mich noch steigern und daß man mich vielleicht von nun an als eine der Regierung verdächtige Person meiden werde. Aber ich war mir ja selbst vollkommen bewußt, daß ich mir der
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