Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Regierung gegenüber nicht das geringste vorzuwerfen hatte. Das Publikum im allgemeinen, ausgenommen Michael Woronzow, Iwan Schuwaloff, die beiden Gesandten von Wien und Versailles, sowie diejenigen, die ihnen glaubten, kurz, jedermann in Petersburg, hoch und niedrig, war davon überzeugt, daß Bestuscheff unschuldig war und man ihm weder ein Vergehen noch ein Verbrechen zur Last legen konnte. Man wußte, daß man am Tage vor dem Abende seiner Verhaftung im Zimmer Iwan Schuwaloffs an einem Manifeste gearbeitet hatte, das Herr Wolkoff schreiben mußte. Dieser Herr Wolkoff war früher Bestuscheffs erster Kommissar gewesen, hatte im Jahre 1755 die Flucht ergriffen, sich aber, nachdem er hilflos in den russischen Wäldern herumgeirrt war, fangen lassen und diente nun der Konferenz als Sekretär. Das von ihm geschriebene Manifest wollte man veröffentlichen, um das Publikum von den Ursachen in Kenntniszu setzen, welche die Kaiserin veranlaßten, mit dem Großkanzler so zu verfahren, wie sie es getan. Jenes geheime Konventikel nun, das sich den Kopf zerbrach beim Suchen nach Vergehen, kam schließlich überein, zu sagen, daß man Bestuscheff wegen Hochverrats verhaftet habe und weil er versucht habe, Zwietracht zwischen Ihrer kaiserlichen Majestät und Ihren kaiserlichen Hoheiten zu säen. Ohne Verhör oder Urteil wollte man ihn am Tage nach seiner Verhaftung auf eines seiner Güter verweisen und ihm sein ganzes Vermögen konfiszieren. Einige darunter fanden es indes doch zu gewagt, jemand ohne irgend eine Ursache und Urteilsspruch zu verbannen und meinten, man müßte wenigstens nach Delikten suchen, denn sie hatten immer noch die Hoffnung, solche zu finden. Wenn man aber keine ausfindig machen könnte, dann müßte der Gefangene, der, ohne daß man wußte weshalb, seiner Aemter, Würden und Orden beraubt war, wenigstens einem Urteile der Kommissare unterworfen werden. Nun waren diese Kommissare, wie bereits bemerkt: Marschall Buturlin, Oberstaatsanwalt Fürst Trubetzkoi, General Graf Alexander Schuwaloff und der Sekretär Wolkoff. Das erste, was sie taten, war, den Gesandten, Bevollmächtigten und Beamten Rußlands an den fremden Höfen durch das Kollegium der auswärtigen Angelegenheiten zu befehlen, Kopien der Depeschen nach Rußland zu schicken, die Graf Bestuscheff an sie geschrieben hatte, als er sich an der Spitze der Angelegenheiten befand. Dies geschah nur, um in den Depeschen eventuell die gewünschten Vergehen zu finden. Man sagte nämlich, er habe stets geschrieben, was er wollte, und dazu Dinge, die dem Befehle und Willen Ihrer Majestät zuwiderliefen. Da aber Ihre Majestät weder etwas schrieb noch unterzeichnete, war es schwer, ihren Befehlen zuwider zu handeln; und was die mündlichen betraf, so war sie kaum imstande, dem Großkanzler solche zu geben,da sie ganze Jahre lang keine Gelegenheit hatte, ihn zu sehen. Uebrigens konnten ein Drittel der mündlichen Befehle, wenn man es genau nehmen wollte, mißverstanden und schlecht wiedergegeben, oder schlecht empfangen und begriffen worden sein. Doch die Kommissare hatten mit ihrem Vorgehen keinen Erfolg, denn keiner von den Beamten im Ausland gab sich die Mühe, seine Archive auf zwanzig Jahre hin durchzusuchen und abzuschreiben, um Verbrechen eines Mannes darin zu entdecken, dessen Instruktionen und Anordnungen sie selbst befolgt hatten, so daß sie gleichfalls in alles hätten verwickelt werden können, was man etwa Tadelnswertes darin fand. Außerdem hätte die bloße Sendung solcher Archive dem Staate beträchtliche Kosten verursacht, und in Petersburg angelangt, würden sie für eine Reihe von Jahren die Geduld vieler Personen erschöpft haben, die sich hätten bemühen müssen, etwas darin zu entdecken und zu entwirren, was noch dazu vielleicht gar nicht einmal darin zu finden war. Dieser Befehl wurde also niemals ausgeführt. Schließlich wurde die ganze Sache langweilig, und man beendete sie endlich nach Ablauf eines Jahres mit der Veröffentlichung des Manifestes, dessen Abfassung man am Tage vor der Verhaftung des Großkanzlers begonnen hatte.
Am Nachmittag desselben Tages, an dem Stambke zu mir gekommen war, ließ die Kaiserin dem Großfürsten sagen, er solle Stambke nach Holstein schicken, da man sein Einverständnis mit Bestuscheff entdeckt hätte. Er verdiene zwar, verhaftet und verbannt zu werden, allein aus Rücksicht für Seine kaiserliche Hoheit, deren Minister er gewesen, wolle man ihm die Freiheit schenken, unter der Bedingung, daß er
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