Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
nehmen, ließ ich, da ich mein Wort gegeben, Graf Alexander Schuwaloff bitten, meine Wagen zu bestellen, denn ich wollte unbedingt an jenem Tage ins Theater gehen. Graf Schuwaloff kam und teilte mir mit, daß meine Absicht, die Komödie zu besuchen, dem Großfürsten aufs höchste mißfalle. Ich erwiderte ihm, da ich nicht das Vergnügen hätte, dem Großfürsten für gewöhnlich Gesellschaft zu leisten, dächte ich, es müsse ihm gleichgültig sein, ob ich allein in meinem Zimmer oder in meiner Loge im Theater säße. Er entfernte sich, indem er mit dem Auge blinzelte, was er stets tat, wenn ihm etwas mißfiel. Kurz darauf kam der Großfürst in großer Aufregung in mein Zimmer, kreischte wie ein Adler und schrie, es mache mir wohl Spaß, ihn in Wut zu versetzen, und ich habe mir nur vorgenommen, in die Komödie zu gehen, weil ich genau wisse, er liebe diese Aufführungen nicht. Ich hingegen bemerkte ihm ruhig, daß er sie mit Unrecht haßte, worauf er erwiderte, er werde verbieten, mir einen Wagen zu geben. »Nun, dann gehe ich eben zu Fuß,« entgegnete ich. Ich könne mir vorstellen, was für ein Vergnügen es ihm mache, mich in meinem Zimmer allein mit meinem Hund und meinem Papagei vor Langeweile sterben zu lassen. Nachdem wir lange miteinander heftig gestritten und laut gesprochen hatten, entfernte er sichzorniger als je, während ich darauf bestand, ins Theater zu gehen. Kurz vor Beginn des Schauspiels ließ ich Graf Schuwaloff fragen, ob die Wagen bereit wären. Er kam und sagte mir, der Großfürst hätte verboten, sie für mich anspannen zu lassen. Bei diesen Worten konnte ich meinen Aerger nicht mehr zurückhalten und sagte, ich würde zu Fuß gehen. Falls man den Damen und Herren aber verbieten sollte, mir zu folgen, würde ich mich allein hinbegeben und mich außerdem schriftlich bei der Kaiserin sowohl über den Großfürsten als über ihn beschweren. Darauf fragte er: »Was wollen Sie ihr sagen?« – »Ich werde ihr sagen, auf welche Weise man mich behandelt, und daß Sie, um dem Großfürsten eine Zusammenkunft mit meinen Ehrendamen zu verschaffen, ihn darin bestärken, mich an dem Besuch des Theaters zu verhindern, wo ich das Glück genießen kann, Ihre kaiserliche Majestät zu sehen. Außerdem werde ich die Kaiserin bitten, mich zu meiner Mutter zurückkehren zu lassen, weil ich es müde bin, allein und verlassen in meinem Zimmer, gehaßt vom Großfürsten und nicht eben geliebt von ihr, mein Leben zu verbringen. Mich verlangt nur nach Ruhe, und ich will niemand mehr zur Last fallen, noch auch alle die, die sich mir nähern, ins Unglück stürzen; besonders die bedauernswerten Leute meiner Umgebung nicht, von denen so viele verbannt worden sind, einzig und allein, weil ich ihnen wohlwollte oder Gutes tat. Und wissen Sie, daß ich unverzüglich an Ihre kaiserliche Majestät schreiben und Sorge tragen werde, daß Sie selbst ihr meinen Brief überbringen?« – Der entschiedene Ton, den ich annahm, erschreckte ihn, und er ging hinaus, während ich meinen Brief an die Kaiserin zu schreiben begann. Ich tat dies in russischer Sprache, und zwar so pathetisch wie möglich. Zuerst bedankte ich mich für all die Freundlichkeiten und Gnadenerweisungen, mit denen sie mich seit meiner Ankunft in Rußland überhäufthatte und fügte hinzu, der Stand der Dinge beweise leider, daß ich dieselben nicht verdient, weil ich mir den Haß des Großfürsten, sowie die entschiedene Ungnade Ihrer kaiserlichen Majestät zugezogen habe. Im Hinblick auf mein Unglück und meine Gefangenschaft in meinem Zimmer, wo man mich selbst des unschuldigsten Zeitvertreibes beraube, bat ich sie inständig, meinen Leiden ein Ende zu machen, indem sie mich auf die ihr am passendsten scheinende Art zu meinen Verwandten zurückschicke. Was meine Kinder beträfe, die ich fast nie zu sehen bekäme, obgleich ich mit ihnen in ein und demselben Hause wohne, so bliebe es sich doch ganz gleich, ob ich an demselben Orte wäre, wo sie sich befänden, oder ein paar hundert Meilen von ihnen entfernt. Ich wisse ja, daß sie ihnen eine Sorgfalt widme, die ihnen angedeihen zu lassen meine schwachen Kräfte weit übersteigen würde. Ich wage sie daher zu bitten, ihnen diese Sorgfalt auch ferner zu bewahren, und in diesem Vertrauen würde ich den Rest meiner Tage bei meinen Angehörigen damit verbringen, für sie, den Großfürsten, meine Kinder, überhaupt für alle, die mir Gutes oder Böses getan, zu Gott zu beten. Aber meine Gesundheit sei durch den
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