Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
sofort entlassen würde. Stambke wurde unverzüglich weggeschickt, und mit seiner Abreise endete auch meine Führung der holsteinschen Geschäfte. Man gab dem Großfürsten zu verstehen, es sei derKaiserin nicht angenehm, wenn ich mich hineinmische, und Seine kaiserliche Hoheit war so ziemlich derselben Meinung. Ich erinnere mich indes nicht genau, wen er an Stambkes Stelle ernannte, doch ich glaube, es war ein gewisser Wolf.
Damals verlangte das Ministerium der Kaiserin förmlich vom Könige von Polen die Abberufung des Grafen Poniatowski, von dem man ein Billett an den Grafen Bestuscheff – freilich nur ein sehr harmloses, aber immerhin eins an einen vorgeblichen Staatsgefangenen – aufgefunden hatte. Als ich die Entlassung Stambkes und die Abberufung Pioniatowskis erfuhr, bereitete ich mich auf nichts Gutes vor und verhielt mich folgendermaßen. Zuerst rief ich meinen Kammerdiener Skurin und befahl ihm, alle meine Rechnungsbücher, sowie das geringste, was unter meinen Sachen den Anschein eines Papieres haben konnte, zusammenzusuchen und mir zu bringen. Er führte meine Befehle pünktlichst und mit großer Genauigkeit aus. Als alles in meinem Zimmer war, schickte ich ihn fort. Darauf warf ich alles ins Feuer, rief, als die Papiere halb verbrannt waren, Skurin zurück und sagte ihm: »Hier, überzeuge dich, daß alle meine Papiere und Rechnungen verbrannt sind, damit, wenn man dich jemals danach fragen sollte, du schwören kannst, daß du gesehen hast, wie ich sie alle verbrannt habe.« Er dankte mir für mein Vertrauen gegen ihn und teilte mir nachher mit, daß in der Bewachung der Gefangenen eine eigentümliche Veränderung stattgefunden habe. Seit der Entdeckung von Stambkes Korrespondenz mit Graf Bestuscheff ließ man diesen schärfer beobachten, und hatte zu diesem Zwecke den Unteroffizier Kalischkin von Bernardi entfernt und in das Zimmer des ehemaligen Großkanzlers postiert. Sobald dies geschehen, hatte Kalischkin darum gebeten, ihm einen Teil derselben erprobten Soldaten zuzuteilen, die er bei Bernardis Bewachung gehabt hatte. Aufdiese Weise gelangte der sicherste und einsichtsvollste Mensch, den wir, Skurin und ich, besaßen, ins Zimmer des Grafen Bestuscheff, der ebenfalls nicht aller Verbindung mit Bernardi entblößt war.
Inzwischen wurden die Verhöre Bestuscheffs fortgesetzt. Kalischkin gab sich dem Grafen als einen mir sehr ergebenen Menschen zu erkennen und leistete ihm in der Tat tausend gute Dienste. Er war gleich mir aufs tiefste überzeugt, daß der Großkanzler unschuldig und das Opfer einer mächtigen Intrige sei, was auch die Ansicht des Publikums war. Dem Großfürsten merkte ich es an, daß man ihm bange gemacht und ihm den Verdacht eingeflößt hatte, als wisse ich von Stambkes Korrespondenz mit dem Staatsgefangenen. Ich sah, daß Seine kaiserliche Hoheit kaum mit mir zu sprechen wagte und es vermied, mein Zimmer, in dem ich mit einem Male ganz allein war, zu betreten. Ich selbst vermied es, mit jemand zusammenzukommen, weil ich fürchtete, ich könnte ihn einem Unglück oder einer Unannehmlichkeit aussetzen. Auch bei Hofe vermied ich, allen, von denen ich vermutete, daß sie mir auswichen, zu begegnen.
Während der letzten Tage des Karnevals sollte eine russische Komödie im Hoftheater aufgeführt werden. Graf Poniatowski ließ mich bitten, dorthin zu kommen, weil sich nämlich das Gerücht zu verbreiten begann, daß man meine Entfernung vorbereitete und mich verhinderte, öffentlich zu erscheinen, und was weiß ich noch mehr. Kurz, jedesmal, wenn ich nicht im Schauspiel oder bei Hofe erschiene, suchten alle, entweder aus Neugierde oder aus Interesse für mich, die Ursache zu erfahren. Ich wußte, daß die russische Komödie eins von den Dingen war, die Seiner kaiserlichen Hoheit am wenigsten gefielen, und schon das bloße Aussprechen der Absicht, hinzugehen, mißfiel ihm. Allein diesmal verband derGroßfürst mit seinem Widerwillen gegen die Nationalkomödie noch einen andern Grund des kleinen persönlichen Interesses. Er empfing nämlich damals die Gräfin Elisabeth Woronzow noch nicht in seinem Zimmer, sondern unterhielt sich, da sie sich mit den Ehrendamen im Vorzimmer aufhielt, dort mit ihr, oder sie spielten zusammen. Ging ich indes ins Schauspiel, so mußten meine Damen mich selbstverständlich begleiten, was Seiner kaiserlichen Hoheit sehr unbequem war, denn es gab dann keinen andern Ausweg für ihn, als in seinem Zimmer zu zechen. Ohne Rücksicht auf seine Wünsche zu
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