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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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Liebewert war, und sich auch keine Mühe gab, es zu sein, so hätte ich doch wenigstens ihm und seinen Interessen die aufrichtigste Ergebenheit bewiesen, die ein Freund, ja ein Diener, seinem Freund und Herrn beweisen kann. Meine Ratschläge waren stets die besten gewesen, die ich ihm für sein Wohl geben konnte; wenn er sie nicht befolgte, so war dies nicht mein Fehler, sondern ein Fehler seines Urteils, das weder gesund noch gerecht war. Als ich nach Rußland kam, und auch noch während der ersten Jahre unserer Ehe, würde sich mein Herz dem Großfürsten, wenn er sich nur ein wenig bemüht hätte, erträglich zu sein, geöffnet haben; doch als ich bemerkte, daß er gerade mir, und nur, weil ich seine Frau war, die geringste Aufmerksamkeit bewies, war es keineswegs unnatürlich, wenn ich meine Lage weder angenehm, noch nach meinem Geschmack fand und mich langweilte, ja vielleicht grämte. Allein den Gram suchte ich mehr als jede andere Empfindung zu unterdrücken und zu verbergen, denn mein Stolz und meine ganze Gemütsstimmung machten mir den Gedanken, unglücklich zu sein, unerträglich. Ich sagte mir: Glück und Unglück liegen im Herzen und in der Seele des Menschen; fühlst du dich unglücklich, so erhebe dich über dein Unglück und handle so, daß dein Glück von keinem äußeren Ereignisse abhängt. Bei einer solchen Charakterveranlagung war ich mit einem großen Feingefühl und einem zum mindesten interessanten Aeußern von der Natur ausgestattet, das auf den ersten Blick ohne irgendwelche Kunst und Schmuck gefiel. Mein Charakter war von Natur aus äußerst anschmiegend, so daß man mit mir nur eine Viertelstunde zusammen zu sein brauchte, um die Unterhaltung angenehm zu finden, und jeder redete mit mir, als wären wir längst alte Bekannte. Von Natur nachsichtig, erwarb ich mir das Vertrauen derer, die mit mir zu tun hatten, weil ein jeder fühlte, daß Rechtschaffenheit und guter Wille dieTriebfedern waren, denen ich am liebsten folgte. Wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, so nehme ich mir die Freiheit, über mich selbst zu äußern, daß ich ein »freimütiger und biederer Kavalier« war, dessen Geist mehr vom Manne als vom Weibe hatte. Und doch war ich nichts weniger als ein Mannweib. Man fand in mir zugleich mit dem Geiste und Charakter eines Mannes die Reize einer sehr liebenswürdigen Frau – man verzeihe mir zugunsten der Wahrheit diese Aeußerung eines Geständnisses, das mir die Eigenliebe abringt, ohne sich hinter falscher Bescheidenheit zu verbergen. Zudem muß diese Schrift ja selbst am besten beweisen, was ich von meinem Geiste, meiner Seele und meinem Charakter behaupte. Ich sagte, daß ich gefiel, und wenn man gefällt, ist der erste Teil der Verführung schon vollzogen, und der zweite kommt leicht hinzu. Es liegt im Wesen der menschlichen Natur, daß versuchen und versucht werden nahe beieinander sind. Trotz der schönsten moralischen Grundsätze ist man, sowie die Sinnlichkeit sich hineinmischt und zum Vorschein kommt, schon unendlich viel weiter als man glaubt, und ich weiß noch heute nicht, wie man sie hindern kann, sich unserer zu bemächtigen. Flucht allein könnte vielleicht helfen; aber es gibt Fälle, Lagen, Umstände, wo Flucht unmöglich ist. Denn wie soll man fliehen, ausweichen, den Rücken kehren inmitten eines glänzenden Hofes? Schon dies würde Geschwätz hervorrufen. Wenn man aber nicht flieht, so ist meiner Ansicht nach nichts schwieriger, als dem zu entgehen, was uns im Grunde unseres Herzens gefällt. Alles, was man hiergegen einwenden mag, ist Prüderie, die dem menschlichen Charakter nicht eigen ist. Niemand hält sein Herz in der Hand und kann es, indem er sie schließt oder öffnet, nach Belieben zusammendrücken oder fahren lassen.
    Doch ich kehre zu meinem Bericht zurück. Den Tag nach jener Theatervorstellung gab ich mich für krank aus und verließmein Zimmer nicht mehr. Ruhig erwartete ich die Entscheidung Ihrer kaiserlichen Majestät über meine untertänigste Bittschrift ab. Nur in der ersten Fastenwoche hielt ich es für angebracht, mich den religiösen Uebungen zu unterziehen, damit man mein Interesse für den orthodoxen griechischen Glauben merken sollte.
    In der zweiten oder dritten Woche hatte ich von neuem einen großen Kummer durchzumachen. Eines Morgens, nachdem ich aufgestanden war, benachrichtigten mich meine Leute, daß Graf Alexander Schuwaloff Madame Wladislawa habe rufen lassen. Dies kam mir sonderbar vor, und ich wartete sehnlichst auf

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