Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
ihre Rückkehr – aber umsonst. Gegen ein Uhr nachmittags meldete mir Graf Schuwaloff, die Kaiserin habe es für geeignet gehalten, sie ihrer Stellung bei mir zu entheben. Ich schwamm in Tränen und sagte ihm, Ihre Majestät habe ja zweifellos die Macht, mir jeden zu geben oder zu nehmen, wie es ihr gefiele, aber es schmerze mich unendlich, mehr und mehr zu sehen, wie alle, die in meiner Nähe lebten, der Ungnade Ihrer kaiserlichen Majestät geweiht wären. Und damit es weniger Unglückliche gäbe, bäte ich ihn inständig, Ihre kaiserliche Majestät zu ersuchen, daß sie so bald als möglich dem Zustand, in dem ich mich befinde, nämlich nur Unglück zu bringen, ein Ende mache, indem sie mich zu meinen Angehörigen zurückkehren ließe. Uebrigens versicherte ich ihm, daß Madame Wladislawa in keiner Weise dazu dienen werde, Aufklärung über irgend etwas zu geben, weil weder sie noch irgend jemand mein volles Vertrauen besäße. Graf Schuwaloff wollte sprechen, als er aber mein Schluchzen hörte, fing er gleichfalls zu weinen an und sagte, die Kaiserin werde darüber mit mir persönlich reden. Ich bat ihn, diesen Augenblick zu beschleunigen, was er auch versprach. Sodann setzte ich meine Umgebung von dem Vorgefallenen in Kenntnis und sagte ihnen,wenn man mir an Stelle der Wladislawa eine Hofmeisterin gäbe, die mir mißfiele, so möge sie sich nur auf die schlechteste Behandlung meinerseits, ja selbst auf Schläge gefaßt machen. Ich bat meine Leute, dies überall wiederzuerzählen, damit alle, die man etwa die Absicht hatte, mir beizugeben, sich hüteten, die Stelle anzunehmen. Denn ich war endlich der ewigen Quälereien und Leiden müde und sah ein, daß meine Milde und Geduld nur dazu dienten, meine Lage zu verschlechtern. Deshalb war es unbedingt notwendig, mein Benehmen vollkommen zu ändern. Meine Leute verfehlten natürlich nicht, wiederzuerzählen, was ich wünschte.
Am Abend desselben Tages, an dem ich viel geweint hatte, kam eine meiner Kammerfrauen, Katharina Iwanowna Scheregorodska, in mein Zimmer, wo ich mich wie immer ganz allein befand. Ich war geistig und körperlich in größter Aufregung und ging nervös auf und ab. Als sie mich sah, sagte sie schluchzend und sehr bewegt: »Ach Gott, wir fürchten alle, daß Sie dem Zustande, in welchem Sie sich jetzt befinden, unterliegen. Erlauben Sie mir, daß ich noch heute zu meinem Onkel, dem Beichtvater Ihrer Majestät, der ja auch der Ihrige ist, gehe? Ich will mit ihm sprechen, werde ihm alles sagen, was Sie mir befehlen, und verspreche Ihnen, daß er auf eine Weise mit der Kaiserin reden wird, mit der Sie zufrieden sein werden!« Da ich ihren guten Willen sah, erzählte ich ihr ganz einfach, wie die Dinge lagen, was ich der Kaiserin geschrieben hatte und alles weitere. Sie begab sich zu ihrem Onkel, und, nachdem sie mit ihm gesprochen und ihn zu meinen Gunsten gestimmt hatte, kam sie gegen elf Uhr zu mir zurück, um mir mitzuteilen, daß er mir rate, mich in der Nacht für krank auszugeben. Ich sollte dann nach der Beichte verlangen und zu diesem Zwecke ihn rufen lassen, damit er der Kaiserin alles sagen könne, was er aus meinem Munde vernommen.Ich billigte diesen Vorschlag und versprach, ihn auszuführen. Darauf entließ ich sie, ihr und ihrem Onkel für die Zuneigung, die sie mir bewiesen, aufs herzlichste dankend.
In der Tat klingelte ich in der Nacht zwischen zwei und drei Uhr. Eine meiner Frauen kam. Ich sagte ihr, daß ich mich sehr unwohl fühle und zu beichten wünsche. Statt des Beichtvaters aber eilte Graf Alexander Schuwaloff herbei, dem ich mit matter, gebrochener Stimme meine Bitte, den Beichtvater rufen zu lassen, wiederholte. Statt dessen ließ er die Aerzte rufen, denen ich indes sagte, ich bedürfe nicht ihrer, sondern geistlicher Hilfe, denn ich sei meinem Ende nahe. Einer von ihnen fühlte meinen Puls und meinte, er sei sehr schwach, doch von neuem erklärte ich, meine Seele sei in Gefahr, aber mein Körper bedürfe keiner ärztlichen Hilfe. Endlich kam mein Beichtvater. Man ließ uns allein. Ich ließ ihn an meinem Bett niedersitzen, und wir unterhielten uns wenigstens anderthalb Stunden lang, während welcher Zeit ich ihm den gegenwärtigen und vergangenen Stand der Dinge, das Benehmen des Großfürsten gegen mich, das meinige gegen ihn, den Haß der Schuwaloffs, die unausgesetzten Verbannungen und Entlassungen meiner Leute, besonders aber derer, die mir am meisten zusagten und ergeben waren, erzählte. Ferner teilte ich ihm mit,
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