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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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sich auf meine Seite. Mit besonderer Aufmerksamkeit und einer Art vielleicht unfreiwilliger Zustimmung hörte sie meinen festen und gemäßigten Antworten auf die maßlosen Reden meines Herrn Gemahls zu, dem man es deutlich ansah, daß er beabsichtigte, mich aus meiner Stellung zu verdrängen, um amliebsten seine augenblickliche Maitresse dahin zu setzen. Allein es konnte weder nach dem Geschmack der Kaiserin noch dem der Herren Schuwaloff sein, die Grafen Woronzow zu ihren Gebietern zu machen. Doch dies ging über die Urteilsfähigkeit Seiner kaiserlichen Hoheit hinaus, der immer alles glaubte, was er wünschte, und jeden Gedanken, der den seinigen entgegen war, beiseite schob. Ja, er ging darin so weit, daß die Kaiserin zu mir herantrat und leise sagte: »Ich hätte Ihnen noch manches mitzuteilen, aber ich kann nicht sprechen, weil ich Ihnen nicht noch mehr Unfrieden bringen will, als Sie schon haben.« Und mit einer Bewegung der Augen und des Kopfes gab sie mir zu verstehen, daß es die Gegenwart der andern sei, die sie daran verhindere. Bei diesem Zeichen wahrhaften Wohlwollens ihrerseits in einer so kritischen Lage wurde ich ganz gerührt und flüsterte: »Auch ich kann mich nicht aussprechen, ein so mächtiges Verlangen ich auch fühle, Ihnen mein Herz und meine Seele zu öffnen.« – Wie ich bemerkte, brachten meine Worte einen mir günstigen Eindruck hervor. Die Tränen traten ihr in die Augen, und um zu verbergen, daß und in welchem Grade sie bewegt war, verabschiedete sie uns, indem sie bemerkte, es sei schon sehr spät.
    Es war wirklich schon drei Uhr morgens. Der Großfürst entfernte sich zuerst. Ich folgte ihm. Als aber auch Graf Alexander Schuwaloff nach mir hinausgehen wollte, rief ihn die Kaiserin zurück, und er blieb bei ihr. Diesmal beeilte ich mich nicht, dem Großfürsten, der immer sehr große Schritte machte, zu folgen. Er kehrte in seine Gemächer, ich in die meinigen zurück. Schon fing ich an, mich zu entkleiden, als ich an meine Tür klopfen hörte. Ich fragte, wer da sei, und Graf Alexander Schuwaloff antwortete, ich möchte ihm doch öffnen. Ich tat es. Darauf forderte er mich auf, meine Frauen zu entlassen, und als diese sich entfernt hatten, teilteer mir mit, daß die Kaiserin ihn zurückgerufen und beauftragt habe, mir ihre Empfehlungen zu bringen und zu sagen, ich solle nicht traurig sein, sie werde eine nochmalige Unterredung mit mir haben. Ich verneigte mich tief vor Graf Schuwaloff und bat ihn, Ihrer kaiserlichen Majestät meine untertänigsten Empfehlungen zu machen und ihr für ihre Güte zu danken, die mich dem Leben zurückgebe. Ich würde diese zweite Zusammenkunft mit ihr mit der lebhaftesten Ungeduld erwarten und bäte sie, den Zeitpunkt derselben zu beschleunigen. Er empfahl mir, mit niemand davon zu sprechen, besonders nicht mit dem Großfürsten, den die Kaiserin zu ihrem Bedauern sehr gegen mich aufgebracht finde. Ich versprach es. »Wenn man sich aber über sein Wesen gegen mich ärgert,« dachte ich, »warum bringt man ihn dann noch mehr durch die Wiedergabe meiner Worte im Sommerpalast auf?«
    Diese unerwartete Rückkehr der Freundschaft und des Vertrauens der Kaiserin war für mich ein großer Trost und gewährte mir viele Freude. Tags darauf beauftragte ich die Nichte des Beichtvaters, ihrem Onkel für den wichtigen Dienst zu danken, den er mir geleistet, indem er mir diese Unterredung mit Ihrer kaiserlichen Majestät verschaffte. Als sie von ihrem Onkel zurückkehrte, sagte sie mir, sie wisse, daß die Kaiserin geäußert habe, ihr Neffe sei ein Dummkopf, aber die Großfürstin besäße viel Geist. Und diese Aeußerung wurde mir von mehr als einer Seite wiederholt. Auch sollte Ihre Majestät gegen ihre Vertrauten meine Fähigkeiten aufs höchste gelobt haben, wobei sie oft hinzufügte: »Sie liebt die Wahrheit und Gerechtigkeit und ist eine geistreiche Frau; aber mein Neffe ist ein Einfaltspinsel.«
    Dennoch verschloß ich mich nach wie vor in meine Gemächer unter dem Vorwande, daß ich krank sei. Ich erinnere mich, daß ich damals die fünf ersten Bände der »Geschichte derReisen« las, mit der Karte auf dem Tische, was mich ebenso sehr unterhielt als belehrte. Als ich diese Lektüre satt hatte, durchblätterte ich die ersten Bände der Encyclopädie und erwartete dabei immer sehnsüchtig den Tag, an dem es Ihrer Majestät gefallen würde, mir eine zweite Zusammenkunft zu gewähren. Von Zeit zu Zeit wiederholte ich dem Grafen Schuwaloff meine Bitte und

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