Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
drückte den lebhaften Wunsch aus, mein Schicksal endlich entschieden zu sehen, was den Großfürsten betraf, so hörte ich gar nichts mehr von ihm. Ich wußte nur, daß er meine Entlassung mit großer Ungeduld erwartete und sicher darauf rechnete, Elisabeth Woronzow in zweiter Ehe zu heiraten. Sie kam schon in seine Gemächer und machte dort die Honneurs, wahrscheinlich erfuhr ihr Onkel, der ein vollendeter Heuchler war, alle diese Pläne durch ihren Bruder oder vielleicht auch durch ihren Neffen. Diese waren damals fast noch Kinder, denn der älteste zählte kaum zwanzig Jahre. Aus Furcht aber, sein eben erst gestiegenes Ansehen könnte dadurch bei Ihrer Majestät leiden, suchte Woronzow um den Auftrag nach, mich zu überreden, von der Forderung meiner Trennung vom Großfürsten abzustehen – denn es geschah folgendes.
Eines Morgens meldete man mir, daß der Vizekanzler Graf Woronzow seitens der Kaiserin mit mir zu sprechen verlange. Aufs höchste von dieser ungewöhnlichen Sendung überrascht, ließ ich, obgleich ich mich noch nicht angekleidet hatte, den Herrn Vizekanzler eintreten. Er küßte mir die Hand und drückte sie mit großer Zärtlichkeit. Dann trocknete er sich die Augen, aus denen ein paar Tränen flossen. Da ich damals ziemlich eingenommen gegen ihn war, setzte ich kein großes Vertrauen in diese Einleitung, die seine Ergebenheit für mich beweisen sollte, ließ ihn aber gewähren und bat ihn, sich zu setzen. Er litt an großer Atemnot, woran eine Art Kropf schuldwar. Als er sich gesetzt hatte, sagte er, die Kaiserin habe ihn beauftragt, mit mir zu reden, um mir von meiner Rückkehr zu meinen Verwandten abzuraten. Ihre kaiserliche Majestät habe ihm sogar befohlen, mich ihrerseits zu bitten, diesem Gedanken, zu dessen Ausführung sie niemals ihre Zustimmung geben werde, zu entsagen; und er besonders bitte und beschwöre mich, ihm mein Wort zu geben, daß nie mehr die Rede davon sein sollte. Meine Absicht bekümmerte in der Tat die Kaiserin und alle ehrlichen Leute, zu denen zu gehören er beteuerte. Ich antwortete ihm, es gäbe nichts, was ich nicht gern der Kaiserin und allen meinen Freunden zu Gefallen täte, aber ich sähe meine Gesundheit und mein Leben durch die Lebensweise, der ich ausgesetzt sei, bedroht. Außerdem bringe ich nur Unglück, denn alle, die mir zu nahe kämen, würden unausgesetzt verbannt und entlassen. Den Großfürsten reize man bis zum Hasse gegen mich auf, und außerdem habe er mich niemals geliebt. Ihre Majestät selbst gäbe mir fast fortwährend Beweise ihrer Ungnade. Da ich so allen zur Last falle und selbst fast vor Langeweile und Kummer stürbe, habe ich um meine Rücksendung gebeten. Nur so könnte man ein so lästiges, vor Langeweile und Kummer vergehendes Wesen, wie mich, erlösen. Nun fing er von meinen Kindern an zu sprechen. Ich sagte ihm, daß ich sie niemals sähe und seit meinem Kirchgang das jüngste noch nicht zu sehen bekommen hätte; dies sei mir nur auf ausdrücklichen Befehl der Kaiserin, von deren Zimmern sie zwei bewohnten, möglich. Ich zweifele durchaus nicht an der Sorgfalt, die sie ihnen angedeihen lasse, aber so lange ich der Freude, sie zu sehen, beraubt sei, wäre es mir gleichgültig, ob ich hundert Schritte oder hundert Meilen weit von ihnen entfernt sei. Er sagte, die Kaiserin werde eine zweite Unterredung mit mir haben, und fügte hinzu, es sei sehr zu wünschen, daß Ihre kaiserliche Majestät mir näher käme.Ich bat ihn, doch diese Unterredung zu beschleunigen; ich meinerseits werde nichts versäumen, was die Erfüllung seines Wunsches erleichtern könne.
Länger als eine Stunde war er bei mir gewesen. Er hatte lange und viel über die verschiedensten Dinge gesprochen, wobei ich bemerkte, daß sein hoher Einfluß aufs vorteilhafteste seine Redeweise und Haltung gegen früher verändert hatte. Denn es gab eine Zeit, wo ich ihn mit vielen andern zwiebelartig auf einen Faden aufreihte, wo er, unzufrieden mit der Kaiserin, mit den Geschäften und denen, die die Gunst und das Vertrauen Ihrer Majestät genossen, mir eines Tages bei Hofe, als er die Kaiserin Elisabeth sehr lange mit dem österreichischen Gesandten sprechen sah, während er und ich, sowie die ganze Umgebung der Kaiserin umherstanden – wir waren nebenbei zum Sterben müde – sagte: »Wollen wir wetten, daß sie nur albernes Zeug spricht?« – »Mein Gott, was sagen Sie da!« rief ich. – Er aber erwiderte russisch: »Ona ss prirodu dura« (Sie ist von Natur dumm ...) –
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