Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Endlich entfernte er sich mit der Versicherung seiner Ergebenheit und nahm von mir Abschied, indem er mir wieder die Hand küßte.
Für den Augenblick also konnte ich sicher sein, nicht fortgeschickt zu werden, da man mich ja selbst bat, nicht diesen Wunsch auszudrücken. Dennoch hielt ich es für gut, noch nicht auszugehen, sondern wie vorher in meinem Zimmer zu bleiben, als ob ich die Entscheidung meines Schicksals erst von der zweiten Unterredung mit der Kaiserin erwartete. Aber es dauerte lange, ehe mir diese gewährt wurde. Dabei erinnere ich mich, daß mir die Kaiserin am 21. April, meinem Geburtstage, an dem ich ebenfalls nicht ausging, durch Alexander Schuwaloff sagen ließ, sie trinke auf meine Gesundheit. Ich ließ ihr dafür danken, daß sie sich an diesem, wie ich michausdrückte, unglücklichen Tage meiner Geburt, den ich verwünschen würde, hätte ich nicht an ihm die Taufe empfangen, meiner gnädigst erinnere. Als der Großfürst erfuhr, daß die Kaiserin mir an diesem Tage eine Botschaft geschickt, kam er gleichfalls auf den Einfall, mir dasselbe sagen zu lassen. Und als man mir seine Wünsche überbrachte, erhob ich mich feierlich und sprach mit einer tiefen Verbeugung meinen Dank aus.
Nach meinem Geburtstage und dem Krönungsfeste der Kaiserin, die nur vier Tage auseinander lagen, blieb ich immer noch in meinem Zimmer, bis Graf Poniatowski mir die Nachricht zugehen ließ, daß der französische Gesandte, Marquis de L'Hôpital, meinem festen Benehmen großes Lob gespendet und erklärt habe, dieser Entschluß, meine Gemächer nicht zu verlassen, könne nur zu meinem Vorteil ausschlagen. Da ich in dieser Aeußerung nur die perfide Lobeserhebung eines Feindes sah, entschloß ich mich sofort, das Gegenteil von dem zu tun, was er pries. Eines Sonntags, als man es am wenigsten erwartete, kleidete ich mich an und verließ das Innere meiner Gemächer. Sowie ich das Zimmer betrat, wo sich die Damen und Herren aufhielten, bemerkte ich ihr Erstaunen und ihre Ueberraschung, als sie mich sahen. Einige Augenblicke später kam der Großfürst. Auch sein Erstaunen malte sich auf seinem Gesichte aus. Da ich mit der Gesellschaft sprach, mischte er sich in die Unterhaltung und richtete einige Worte an mich, auf die ich ihm offen antwortete.
Während dieser Zeit kam Prinz Karl von Sachsen zum zweiten Male nach Petersburg. Der Großfürst, der ihn das erstemal ziemlich ritterlich empfangen hatte, glaubte sich diesmal berechtigt, gar kein Maß in seinem Benehmen gegen den Prinzen zu beobachten, und zwar aus folgenden Gründen. In der russischen Armee war es schon längst kein Geheimnismehr, daß Prinz Karl von Sachsen in der Schlacht von Zorndorf einer der ersten gewesen, die die Flucht ergriffen. Man sagte sogar, er habe diese Flucht ohne Aufenthalt bis nach Landsberg fortgesetzt. Da Seine kaiserliche Hoheit hiervon gehört hatte, faßte er den Entschluß, mit ihm, als einem erklärten Feigling, nicht mehr zu sprechen. Ueberhaupt wollte er nicht das geringste mit ihm zu tun haben. Allem Anschein nach trug die Prinzessin von Kurland, von der ich schon öfter Gelegenheit hatte, zu sprechen, zu diesem Entschlusse nicht wenig bei, weil sich damals das Gerücht zu verbreiten begann, man habe die Absicht, den Prinzen Karl von Sachsen zum Herzog von Kurland zu machen. Biron, der Vater der Prinzessin, saß noch immer in Jaroslaw gefangen. Sie teilte ihren Groll dem Großfürsten mit, auf den sie immer noch einen gewissen Einfluß hatte. Uebrigens war die Prinzessin damals zum dritten Male verlobt, und zwar mit Alexander Baron Tscherkassoff, mit dem sie sich auch wirklich den Winter darauf vermählte.
Endlich, einige Tage vor unserer Uebersiedlung aufs Land, meldete mir Graf Alexander Schuwaloff seitens der Kaiserin, ich solle am Nachmittage durch ihn darum bitten lassen, meine Kinder zu sehen. Wenn ich sie besucht hätte, würde mir die lange versprochene Unterredung mit Ihrer Majestät gewährt werden. Ich tat, was man von mir verlangte und beauftragte in Gegenwart vieler Leute den Grafen Schuwaloff, Ihre Majestät um die Erlaubnis zu bitten, meine Kinder zu sehen. Er entfernte sich und meldete mir später, daß ich um drei Uhr zu ihnen gehen könne. Ich hielt die Zeit genau ein und blieb bei meinen Kindern, bis Schuwaloff mir meldete, daß Ihre Majestät mich zu empfangen wünsche. Sie war ganz allein. Diesmal befanden sich auch keine spanischen Wände im Zimmer, und wir konnten uns in voller Freiheit aussprechen.Mein
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