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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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zu entgehen, waren nicht unbeobachtet geblieben, wie er mir zu verstehen gab. Eines Tages nahm er mich beiseite und überraschte mich mit einer Bemerkung, die sehr charakteristisch ist für die Einfältigkeit seines Geistes und die Güte seines Herzens, die aber mit viel mehr Schärfe als gewöhnlich in seiner Unterhaltung lag, ausgesprochen wurde. »Mein Kind,« sagte er, »Sie würden sehr wohl daran tun, sich daran zu erinnern, daß es viel besser ist, sich mit ehrlichen Dummköpfen, wie ich und Ihre Schwester (seine Maitresse) sind, einzulassen, als mit großen Geistern, welche den Saft aus der Orange pressen und die Schale wegwerfen.« Ich stellte mich, als ob ich den Sinn seiner Worte nicht verstände und erinnerte ihn nur daran, daß seine Tante, die Kaiserin, ausdrücklich gewünscht habe, der Großfürstin ebensoviel Ehrerbietung zu bezeigen, als ihrem kaiserlichen Gemahl.
    Es war jedoch unmöglich, wie schon bemerkt, die Festlichkeiten des Großfürsten stets zu vermeiden. Sie wurden zuweilen in einer Art Feldlager abgehalten, wo das Rauchen mit seinenholsteinschen Generalen sein Hauptvergnügen war. Diese Offiziere waren meistenteils Korporale und Sergeanten in preußischen Diensten gewesen, Söhne von Schuhmachern oder ähnlichen Leuten aus den untersten Ständen des Volkes, eine Art Ragamuffin-Generale, der Wahl eines solchen Chefs nicht unwürdig. Die Abende endeten immer mit einem Ball und Souper, das in einem Saal gegeben wurde, der mit Tannenzweigen geschmückt war und einen deutschen Namen führte, welcher seiner Ausschmückung und der Art der unter der Gesellschaft herrschenden Phraseologie entsprach.
    Während eines solchen Festes des Großfürsten, woran auch die Großfürstin teilnahm, kam bei der Tafel die Rede auf einen Herrn Tschelitschkoff, einen Fähnrich der Garde. Dieser stand im Verdacht, der Geliebte der Gräfin Hendrikoff, einer Nichte der Kaiserin, zu sein. Der Großfürst, der sehr vom Wein belebt war, schwor ganz im Geiste eines preußischen Unteroffiziers, daß man diesem Offizier, zur Warnung seiner Kameraden, den Kopf abschneiden müsse, weil er den Mut gehabt habe, einer Verwandten Ihrer Majestät den Hof zu machen. Während alle seine holsteinschen Sykophanten durch Kopfnicken und andere Zeichen ihre tiefe Bewunderung für ihres Herrn Weisheit zu erkennen gaben, konnte ich mich nicht enthalten, Seiner kaiserlichen Hoheit zu erwidern, daß das Kopfabschneiden mir sehr tyrannisch erschiene. Wenn auch ein Verbrechen bewiesen werden könne, so schiene mir doch eine so furchtbare Strafe damit nicht im Verhältnis zu stehen. – »Sie sind ja nur ein Kind,« war seine Antwort, »und was Sie da sagen, ist ein Beweis dafür, sonst würden Sie wissen, daß mit der Todesstrafe sparsam sein so viel heißt, als Ungehorsam und alle möglichen Ueberschreitungen ermutigen.« – »Aber,« sagte ich, »Euere kaiserliche Hoheit sprechen über diesen Gegenstand in einerWeise, die für die anwesende Gesellschaft höchst beunruhigend sein muß, denn mit Ausnahme einiger ehrwürdiger Generale haben alle, die die Ehre genießen, hier in Ihrer Gesellschaft zu sein, nur unter einer Regierung gelebt, unter der solch eine Strafe verpönt war.« – »Was das anbetrifft,« erwiderte der Großfürst, »so will das gar nichts sagen, oder vielmehr, es ist gerade die Ursache von dem jetzigen Mangel an Disziplin und Ordnung. Aber seien Sie versichert, Sie sind ein reines Kind und verstehen nichts von solchen Dingen.« Alles schwieg, nur wir beide setzten unser Gespräch fort. »Ich bin bereit, einzugestehen, Sire,« sagte ich, »daß ich durchaus nichts von Ihren Absichten verstehe, aber eine Sache, über die ich sehr wohl Bescheid weiß, ist, daß Ihre erhabene Tante noch lebt und den Thron einnimmt.« – Aller Augen richteten sich augenblicklich auf mich. Der Großfürst antwortete glücklicherweise nicht, sondern steckte nur die Zunge heraus, wie er es gewöhnlich zu seiner Unterhaltung gegen die Priester in der Kirche tat. Uebrigens bewies dieses Herausstecken der Zunge stets, daß er nicht böse war, sondern nur weiteren Antworten vorbeugen wollte.
    Manchmal auch veranstaltete der Großfürst seine Gesellschaften in einem kleinen Landhause in einiger Entfernung von Oranienbaum, welches seinen Räumlichkeiten nach keine große Anzahl Personen fassen konnte. Hier halfen Tee und Punsch mit dem Geruch des Tabaks vermischt, und das lächerliche Spiel Campis die trostlose Einförmigkeit des Abends hinbringen.

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